Berichte 01.04.- 15.04.2023

01.04.2023

Fast könnte man meinen, es handle sich um einen Aprilscherz. In Black Hawk Central City fliehe ich vor dem andauernden, sehr kalten Wind in eine richtig hübsche Wildwestkirche. Denn wohl die Hälfte aller Gebäude sind eine Art Casinos. Dann gibt es ein paar Kneipen. Und auf Kneipen oder Casinos habe ich keine Lust.

Die Kirchentür öffnet sich knarrend. Und da steht auch schon der Geistliche vor mir. Es sei die älteste Kirche in Colorado, meint er. Ich komme rasch ins Gespräch.

Er findet den Präsidenten einen alten Idioten. Ich wundere mich ja auch, warum es junge Leute nicht wirklich in die Politik schaffen. Nun, jüngere Leute seien eben eine Entweihung der Staaten, Todsünder, abscheuliche «Wokers», die kein Geschlecht mehr hätten, Drogen konsumierten…  ein Abschaum.

Wir kommen auf Waffen zu sprechen. Gottseidank würden hier fast alle bewaffnet sein, das sei Christlich und rechtens – und wichtig. Hier gebe es keine Einbrüche mehr… Hmm, ja, aber Jesus, da gibt es doch so Hinweise auf eine pazifistische Einstellung… wer das Schwert braucht… und die Wange…

Nein, da argumentiert der Herr Pfarrer sofort: In Lukas 22: 35:38 weist Jesus beim letzten Abendmahl die Jünger an, wenn nötig ihre Mäntel zu verkaufen und sich Schwerter zu kaufen. Und diese Zeit sei jetzt eben.

Hier in Colorado fanden ja doch verschiedene Amoks statt, in der Columbine Schule, in Boulder… Ja, das seien Mörder, und dazu sei die Todesstrafe richtig. Die Begründung für die Todesstrafe sei auch in der Bibel zu lesen, Mord würde das Land verunreinigen. In Numeri 35:29-33 würde das stehen, dass dies richtig sei… Wow. 1. April? Crazy.

 

2.04.2023

Es wird Frühling, in Boulder. Schon gestern gegen Abend habe ich die berühmte Pearl Street Fussgängerzone besucht. Da gibt es ein paar mutige jüngere Leute, die sich bereits auf T-Shirts beschränken. Strassenmusik, Tänze, eine erstarrte bronzefarbige Lady, haufenweise spielende Kinder mit bunten Ballons… und auch die Obdachlosen sind multipräsent.

Ich bin ja immer noch in Warteschleife, um Rick und Ilana bei ihrer Schwester Debby zu besuchen. Die beiden werden am 4.04. von Wisconsin anreisen…

Nun, ich suche noch einmal die Höhe, die Sonne scheint kräftig, richtig für eine Gletscherwanderung. Saint Mary’s Gletscher und der See sind eine Sehenswürdigkeit, auf 3174m kraxelt das eine Kamel, dann kraxelt das andere auf 3458.5m. Fast 4 Stunden insgesamt bin ich zu Fuss, über Schneefelder, Gletscher, am Eissee entlang… Der Gletscher ist eher schmal.

Irgendwann wird mir die Luft langsam zu dünn, die ganze Erklimmung zu anstrengend, zudem bläst mich der eiskalte Wind fast talwärts… Ich wage mich bis ans oberste Ende des Gletschers, bis mir das geliebte Hütchen wegfliegt. Chancenlos, brauche erst gar nicht nachzurennen. Auch der Abstieg ist nicht ohne. Meine Achillessehne schmerzt.

 

3.04.2023

Am «Soaken» in den Indian Hotsprings. Idaho Springs ist wie alle anderen Ortschaften hier eine ursprüngliche Goldminen Stadt. Jetzt sind die Goldminen etwas anders, und die Goldgräber wohl freundlicher: Tourismus ist hier ein wichtiges Geschäft.

Im  19. Jahrhundert fand in Colorado ein Goldrausch statt, der Tausende von Menschen anzog, die auf der Suche nach Reichtum und Abenteuer in die Region strömten. Die Entdeckung von Gold im Jahr 1858 am Cherry Creek und South Platte River führte zu einem enormen Zustrom von Goldgräbern aus der ganzen Welt. Die Stadt Denver, die damals noch ein kleiner Handelsposten war, wuchs schnell und wurde zum Zentrum des Handels und der Versorgung für die umliegenden Minenstädte. Der Boom brachte Nachteile mit sich, darunter Umweltverschmutzung, Ausbeutung von Arbeitern und Konflikte zwischen Bergbaugesellschaften und Ureinwohnern*. Die Goldvorkommen erschöpften sich jedoch bald, und die meisten Minen wurden geschlossen. 

*Übrigens Ureinwohner habe ich hier noch keine gesehen…

 

4.04.2023

Nun bin ich für zwei Nächte bei Debby, der Schwester von Ilana* einquartiert. Heute gibt es da eine Art Familienzusammenkunft… schön, darf ich dazugehören. *Aus Wisconsin, ich war im Sommer letztes Jahr da, wir sind seit 1975 befreundet).

 

5.04.2023

Eine Amerika Schweizerin hat mir erzählt, dass sie vor allem Wanderwege, Bergpfade und die wunderbare Möglichkeit vermisse, sich frei und ungezwungen in der Natur bewegen zu dürfen. So  wie eben das meistens in der Schweiz möglich ist. (Anm.: Ausnahmen sind wohl die an den Thunersee angrenzenden Privatbesitze). Es gibt hier in den USA definierte Trails und Hiking Tours, Naturparks, dort sind aber immer viele unterwegs. Sehr viel bleibt privat, die Wälder, die Wiesen und Felder, und sogar Berge. Immer und immer wieder begegnen mir die gelben oder rotweissen Schilder: «Privat Property – no trespassing.» Es ist klar, dass die Ureinwohner nie verstanden haben, weshalb die weissen Brüder Land als ihren Besitz definieren wollten. Es musste ja unweigerlich zu Konflikten kommen.

Gerne würde ich hier auf die FB Gruppe American Culture Regions hinweisen. Eine spannende Betrachtung über Besitztum von John Fire Lame Deer, Lakota (1903-1976) hier:

 

6.04.2023

Plauderrunden, ausgiebiges Frühstück, ein weiteren Tag durfte ich bei Debbie und Steve (Anderegg, seine Vorvorvorfahren seien aus dem Kanton Bern), mit Ilana und Rick verbringen. Wir alle fahren zu den Indian Hotsprings – da bin ich ja Stammgast.

 

07.04.2023

Irgendwann habe ich fertig gepackt, im Organic Shop die nötigsten Lebensmittel eingekauft und die Fahrt führt durch verschneite Landschaften und Pässe bis in die Nähe von Ouray. Unterwegs entdecke ich ein ganz besonderer Badeplausch in kleinen aus Steinen gebauten Pools, die Penny Hotsprings.das Spitzen ist wundervoll, aber das Aufstehen und Verlassen des Beckens eine andere Sache. Wir sind immer noch in der Nähe der Schneegrenzen.

 

8.04.2023

Eine hübsche, junge Dame fährt mit ihrem Auto dem Million Dollar Highway entlang. Der Motor beginnt zu stocken, und sie hält an der Seite der Strasse an. Sie fühlt sich etwas hilflos. Aber da kommt bereits ein hübscher Helfer. Der junge Mann sieht sofort, wie der Schaden zu beheben wäre. Die Frau macht nun den fatalen Fehler, diesen Mann mitzunehmen. Natürlich kommt sie ja in Bedrängnis – und der Mann entpuppt sich als ein wahrer Killer. Sie reisst in der Not das Steuer herum. Der Bösewicht kann sich aus dem auf dem Dach liegenden Auto befreien, die Lady bleibt eingeklemmt und der Bösewicht scheint zu obsiegen. Doch dann… 

Genau wegen dieses älteren Krimis wollte ich diese Million Dollar Highway Strasse fahren, und ich muss gestehen, eine eindrückliche Fahrt.  Die Lady habe ich zwar nicht gefunden, auch nicht das defekte Auto und auch nicht den Killer. Aber diese kurvenreiche Bergstrasse ist zu empfehlen.

 

9.04.2023

Mesa Verde ist das Ziel. Der Ort ist für seine beeindruckenden Felswohnungen bekannt, die von den Anasazi-Indianern vor über 800 Jahren gebaut wurden.

Die meisten Gebäude wurden zwischen 550 und 1300 n. Chr. erbaut und beherbergten einst Tausende von Menschen, die in Gemeinschaften lebten und Landwirtschaft betrieben.

Es gibt einen Felsenpalast, eine massive Felswohnung, die aus über 150 Räumen besteht und bis zu 100 Menschen beherbergen konnte.

Die Anasazi Mesa Verde haben wohl aufgrund von Dürren und einem Mangel an natürlichen Ressourcen die Siedlung aufgegeben.

Ich nehme mir Zeit, gehe den Trails nach und staune über diese Siedlungen im Felsen der Canyon.  

Am Abend nehme suche ich einen Waschsalon auf. Doof nur, wenn man Papiernastücher in den Hosen vergisst. Die ganze Wäsche ist flockig dekoriert, ach…

 

10. 04.2023

Und plötzlich landet man aus den Schneebergen kommend in der Wüste. Und auch die Temperaturen werden anders.

Unterwegs komme ich an einem Punkt vorbei wo vier Staaten sich treffen Utah,  Arizona, New Mexiko, und Colorado. Eigentlich schon verblüffend, wenn die USA nicht ein Land, sondern einzelne Länder wären, so könnte ich nun meine Länderliste um 15 Angaben ergänzen.

Ich treffe in Chelly Canyon vier junge Navajos an – leider ist der eine ziemlich stark besoffen. Doch die Unterhaltung ist spannend. 

Hier soll ein Spanisches Massaker stattgefunden haben., erzählen sie mir.

Im Jahr 1805 führten spanische Truppen einen Angriff auf die Navajo-Siedlung im Canyon durch, der als «Spanisches Massaker» bekannt ist.

Die Navajo-Indianer wurden von den Spaniern gezwungen, ihre Häuser zu verlassen und in den nahegelegenen Fluss zu fliehen. Die spanischen Soldaten verfolgten die Navajo und töteten viele von ihnen. Diejenigen, die fliehen konnten, wurden in der Wildnis verstreut und mussten sich alleine durchschlagen.

Das Spanische Massaker hatte verheerende Auswirkungen auf die Navajo-Bevölkerung und ihre Kultur. Es wird als einer der schlimmsten Übergriffe auf amerikanische Ureinwohner in der Geschichte Nordamerikas angesehen. 

Am Abend treffe ich auf einem Campingplatz die ersten zwei Overlander, aus Deutschland. Die beiden sind supersympathisch. Und wie ist der Zufall will, kennen Sie Emil und Liliane natürlich auch. Die Welt ist klein.

 

11.04.2023

Die Koordinaten Angaben im Internet stimmen nicht. Mit Hilfe von einer Navajo Indianer Familie habe ich den legendären Ort gefunden. Eine kleine Pistenfahrt – kein Mensch ist da.

Leider sind es auch nur noch eine Ruine, das heisst zwei Pfostenfundamente. Es geht um den Film „Spiel mir das Lied vom Tod“ (Once Upon a Time in the West). Hier eben in diesem Torbogen hat der Junge mit der Mundharmonika sein trauriges Lied spielen müssen. Halt doch ein besonderer Ort für mich, da es einer der ersten Film war, den ich mit meinem Freund Roland angucken durfte. Ja, damals war ein Kinobesuch etwas ganz Besonderes. So wie eben dieser Ort.

 

12.04.2023

Das IOverlander App ist Spitze-  heute habe ich wirklich einen Campingplatz der besonderen Art gefunden. Genau unter einem riesigen Monument Valley Block. Die Sonnenuntergang Stimmung war besonders eindrücklich. Die roten Wildwestberge. 

Dort angekommen finde ich ein Schild, man müsse läuten und Geduld haben, alsdann dürfe man für 25 $  bei eben diesem Felsen übernachten. Ich habe geläutet. Und wieder und wieder. Und habe gewartet. 10, 20 Minuten. 40 Minuten. 

Und irgendwann bin ich halt dann selbstständig Campieren gegangen. Ich habe mir vorgestellt,  meine Schulden am nächsten Morgen zu begleichen. 

Aber auch am nächsten Morgen ist niemand da. Ich deponiere etwas Geld, leider nicht den ganzen Betrag, weil es mir an Kleingeld mangelt, und bin halt dann weiter gefahren. 

Heute wieder eine grosse lange Strecke. Bis kurz vor Moab. 

 

13.04.2023

Auch da in Moab weiss die iOverlander App Rat. Free Camping Spot. Und tatsächlich, wunderbar und gelegen in der Nähe von Moab. Das haben aber auch andere offenbar noch gelesen. Etwa 30 Overländer Fahrzeuge stehen da. Amerikaner, sehr oft auch so ein wenig Hippie ähnlich unterwegs.

Am Morgen bin ich zum Arches National Park hin gefahren. Beim Visitor Center haben sie mir aber dann klar gemacht, dass man nur mit vor Reservierung in diesem Park komme. Auch wenn man im Besitz eines Jahrespassesss für alle Nationalparks ist. Ich konnte dann im Subway Restaurant online eine Reservation für 1:00 Uhr Nachmittags buchen. 

Das war sehr eindrücklich ich habe auch den Delicate Arch besucht, das war jedoch eine ziemlich lange Wanderung für einen alten Mann. Und wieder schmerzt mich nun die Achillessehne am rechten Fuss. Ich unternehme dann heute auch keine grossen anderen Wanderungen mehr.

Heute ist mir auch aufgefallen dass mich meine Landschafts und Steinfotografin langsam langweilen: Was soll ich denn mit 148,000 Steinhaufenbildern machen. Paar wenige Bilder habe ich gemacht, aber dann vor allem die grossartige Landschaft genossen. Diese Eindrücke sind nun im Hirn gespeichert.

 

14.04.2023

Heute versuche ich eine defekte elektrische Zahnbürste umweltgerecht zu entsorgen. 

Im City Market machen sie grosse Augen. Nein, das gehört in den Trash, nie gehört, dass man sammeln könnte. In anderen Geschäften ebenso – vielleicht in der Stadtverwaltung?

Nö, gibts nicht,  Batterien und Akkus werden nicht gesammelt. Offenbar mangelt es an ausreichenden Sammelstellen für elektronische Geräte, was dazu führt, dass viele davon eben auf Mülldeponien landen, wo sie nicht richtig entsorgt werden können.

Die USA erlebe ich umwelttechnisch immer wieder als Drittweltland. Die Staaten haben einen erheblichen ökologischen Fussabdruck und sind einer der größten Verursacher von Treibhausgasemissionen weltweit. Die Nutzung von fossilen Brennstoffen ist nach wie vor ein wichtiger Bestandteil der amerikanischen Wirtschaft.   

Plastikabfälle sind ebenfalls ein großes Problem, da Einwegplastikprodukte immer noch weit verbreitet sind und Recycling kaum vorhanden ist. 

Foodwaste ist eine weitere grosse Schwierigkeit hier. Es sei unmöglich ist, abgelaufene Lebensmittel irgendwie zu bekommen. Sie werden oft weggeworfen, obwohl sie noch essbar sind, was zu einer unnötigen Verschwendung von Ressourcen und zur Entstehung von Treibhausgasen beiträgt.

Wir sind da ein ganz klein wenig weiter… aber auch bei uns gibts viel anzupacken diesbezüglich.

 

15.04.2023

Manchmal macht man fatale Fehler. Das muss ich nach dem heutigen Tag einsehen. Das war schlicht ein riesengrosser Mist…

Und doch hat alles so gut angefangen. Der Schlafplatz war einfach absolut schön. Beim Hamburger Rock im Canyonlands National Park. Immer noch in der Nähe von Moab. 

Schon lange habe ich geplant, von hier aus nicht den gleichen Weg über Monticello zurückzufahren, sondern die unbefestigte Bergstrasse über den Mount Horse zu nehmen. 

Niemand kann mir so recht Auskunft über die Strasse geben. Eine Bergsteigervereinigungs Leiterin sagt mir, Lawinen seien keine zu befürchten. Deer Schnee liege mehr im Osten. Und die Strecke für mein 4×4 Fahrzeug kein Problem.

Also. Zuerst wirklich wunderbar, ein wenig holprig, staubig…  aber wunderschön. Dann plötzlich die ersten Schneehaufen.

Auch keine grosse Schwierigkeit. Mit dem schmelzenden Schnee hat sich aber der Untergrund aufgeweicht. Bentonite Clay sei das… berühmt berüchtigt. Wirkt wie Schmierseife auf der Strasse, wenn es feucht ist. Zudem verfügt Bentonit noch über eine besondere Eigenschaft: Verrührst du es mit Wasser, ist die Masse matschig, solange sie in Bewegung ist. Kommt sie zur Ruhe, erhärtet der Gesteinsbrei schnell. Wie Mörtel ist das denn… Spürst du was?

Nun gut, mehrmals bleibe ich stecken. 4 Rad Antrieb, teilweise Differenzial Sperre helfen noch. Eigentlich wären nur noch 3km zu fahren, um auf eine bessere Strasse zu kommen. Doch es wird schlimmer: Ich brauche die Seilwinde. Ich kann unmöglich mehr umdrehen. Glücklicherweise sind paar Bäume da. Zur Schonung dieser brauche ich den Baumgurt um die Seilwinde einzusetzen. 

Und dann plötzlich rutsche ich seitlich weg, gefährlich am Abhang. Das Auto neigt sich zu 30°. Das macht schon mal etwas Angst. Ich ziehe das Windenseil über die Stosstange um ein Kippen zu verhindern. Und dann schaufle und grabe ich, um Sandbleche unter das Kamel zu ziehen. Wurzeln, Steine, Schlamm… 

Irgendwann höre ich in der Ferne Stimmen. Ich rufe so laut ich kann. Vier junge Leute baggern sich mit einem Landcruiser 80 zu mir hoch. Mit deren Hilfe kann ich dann das Kamel über die Sandbleche nach hinten auf die Strasse ziehen. Leider reisst dabei mein Windenseil. 

Mehr als 5 Stunden hat das Prozedere gedauert. Und ich bin fix und foxi. Alles schmerzt und ich bin erschöpft. So ein Mist.

Ich fahre in ein nächstgelegenes Motel und lege nach dem Bad schon mal alle Kleider ins Wasser. Damit eben dieser Lehm nicht ganz antrocknet.

Ihr solltet mal das Innere des Kamels sehen können. Wie eine Keramikaustellung….