Berichte 14.03.- 31.03.2023

14.03.2023

Die Etappe 7 findet ihren Anfang. Heute verlasse ich die geliebten Heimatgegenden der Schweiz und mache mich auf den Weg nach Yampa, Colorado in den USA, wo mein Rotes Kamel den Winter über von Jeff gepflegt und behütet wurde.
Ich bin Jeff sehr dankbar für seine Unterstützung und Hilfe.

Eines wird mir klar: Ich reise von den ersten Frühlingsanzeichen in den kalten Winter zurück. Die Temperaturen im Internet werden mit -15 bis -8° C angegeben, und die Webcam von Steamboat Springs (das ist der nächste grössere Ort) zeigt eine tief verschneite Landschaft. Jeff schreibt, die Strassen seien «super icy».  Das kann ja heiter werden, zumal sich die BFGoodrich All Terrain Reifen auf Eis nicht wirklich bewähren.

Sobald ich die Möglichkeit habe, werde ich meinen Blog fortsetzen und von neuen Abenteuern und Reiseerlebnissen berichten.

 

15.03.2023

In Denver… halt noch ohne Gepäck. Die zwei Flüge hatten etwas Verspätung, wodurch wohl nicht alle Köfferchen umgeladen werden konnten. Mein Duffle jedenfalls nicht. Sie würden es dann nachschicken, nach Yampa in die Berge, hiess es. Nun, ich hoffe das auch, ansonsten würde ich den wertvollen Käse von Jürgs Noflen Käserei verloren haben. 

Abends fahre ich mit dem Bus nach Steamboat Springs. Das Alter ist manchmal Sch…ön doof. Aber besser als die Alternative. Und heute habe ich sogar davon profitiert. Oft werden hier die Senioren Rabatte gutgeschrieben, ohne dass man danach fragen muss. So konnte ich für 14 $ viereinhalb Stunden Überlandbus fahren…

Prompt lande ich im Schneegestöber, die Strassen sind veschneit und glitschig. Jeff holt mich ab und wir fahren im angepassten Tempo durch die verschneite Nacht nach Yampa.

Damit ihr meine Route wieder ab sofort verfolgen könnt, habe ich mein Garmin wieder eingeschaltet. Unter share.garmin.com/RedCamel findet ihr meine Karte, immer noch mit dem gleichen Kennwort. Wer das erfahren möchte, kann sich bei mir melden, per Mail oder Signal oder WA.

 

16.03.2023

Nun bin ich also im verschneiten Yampa. Jeff Brooks ist grenzenlos gastfreundlich. Er hat seit August das Kamel in seine Garage anstelle des Oldtimer Snow Tracs gestellt, gepflegt und gehütet, und möchte gar auf eine finanzielle Entschädigung ganz verzichten. Und nun stellt er mir sein ganzes Haus zur Verfügung. Er und sein Bruder Tim helfen mir bei Abklärungen und Administration und stehen mir sehr hilfsbereit zur Seite. Ein Glück, diese wunderbaren Menschen kennengelernt zu haben.

 

17.03.2023

Der Jetlag bringt mich etwas durcheinander… ich bleibe heute am Ort. Yampa habe ich schon mal kurz beschrieben – hier eine Zusammenfassung: Diese kleine «Town» ist etwa 250 km nordwestlich von Denver gelegen, am Rande der Rocky Mountains. Die Stadt hat eine kleine Bevölkerung, ungefähr 400 Menschen leben da.

Die Gegend um Yampa ist bekannt für ihre Outdoor-Aktivitäten. Auch vor allem für Wintersport. In der näheren Umgebung ist der Routt National Forest und den Steamboat Lake State Park bekannt.

Heute sind Jeff, Tim und ich mit einer Snow Cat 77 unterwegs im Routt National Park unterwegs. ein sonderbares Gefährt, ähnlich zu fahren wie ein Bagger.

Im Ort gibt es ein Restaurant, paar wenige Geschäfte,  und auch darunter auch historische Gasthäuser. die sind aber alle zu.

 

18.03.2023

Das Gepäck ist immer noch nicht da. Wir versuchen es nach Steamboat ausgeliefert zu bekommen. Vergeblich, die Situation mutet etwas chaotisch an: Alle  sind freundlich, versuchen zu helfen, Telefonat hier, Telefonat da, Hoffnungsschimmer und Enttäuschungen wechseln sich ab. Ich fahre mit Tim nach Steamboat und schaue mich etwas in den Geschäften um. Extrem teuer, alles und jedes, die Preise explodieren förmlich. Und die Schere zwischen arm und reich öffnet sich immer bedrohlicher, so erzählen mir die Leute.

 

19.03.2023

Die Heizung muss repariert werden – ist ja auch dringend nötig bei Nachttemperaturen unter -16°C. Ich packe mal alles Notwendige (wirklich nur das Allernotwendigste, denn die Schränke müssen für den Ausbau der Heizung leer sein) zusammen und fahre die halbe Strecke bis Vancouver, zu meinen Hotsprings. Den Mac nehme ich nicht mit, deshalb gibt es jetzt wohl paar Tage keine Aktualisierungen. 

Heute hätte mein Paps Geburtstag, ich denke an ihn. er hat meine Reise stets intensiv verfolgt.

 

20.03.2023

Kaum bin ich unterwegs über den Berthoud Pass (3346m) bekomme ich die Message, dass mein Duffle Bag doch noch angekommen sei, offenbar unversehrt und bereit zur Abholung im Sheraton Hotel in Steamboat Springs.

Jeff geht mir das Gepäck abholen, da er derzeit eh in diesem Ort als Stadtbus Fahrer unterwegs ist. Obwohl Jeff 67 ist, arbeitet er immer wieder, um so eine Art Pensionskasse aufzubauen. Immer wieder fällt mir auf, wie schwach das Sozialsystem in den meisten Staaten der USA eigentlich ist. In Colorado, gibt es viele Menschen, die Schwierigkeiten haben, eine ausreichende Alterssicherung zu erreichen, da nicht alle eine Pensionskasse haben. Die Kosten für Krankenkassen sind in Colorado sehr hoch und viele Menschen können sich keine angemessene Gesundheitsversorgung leisten. Die staatliche Unterstützung für bedürftige Bürger ist begrenzt, was für viele eine zusätzliche finanzielle Belastung darstellt. Die steigenden Lebenshaltungskosten in Colorado können dazu führen, dass ältere Menschen gezwungen sind, ihre Ersparnisse für den Ruhestand aufzubrauchen, um ihre täglichen Ausgaben zu decken. Ein weiteres Problem ist, dass viele Arbeitnehmer in Colorado in Jobs mit niedriger Bezahlung arbeiten und daher nur begrenzte Möglichkeiten haben, für den Ruhestand zu sparen.

 

21.03.2023

Die Eberspächer Airtronic Heizung ist repariert, bzw. gereinigt. Und meine Kreditkarte be-reinigt. Arg belastet. Ich bezahle 1200$. Da hätte ich in Europa eine neue kaufen und installieren lassen können. Die Schwierigkeit hier in Nordamerika ist, dass man während der Reparaturarbeiten nicht dabei sein darf und das Auto einfach mal auf Vertrauen und gut Glück hin abgibt. Ich weiss auch nicht genau, was alles gemacht worden ist. Wenn der Einbau verschoben wurde, so bleibt nur zu hoffen, dass die Wasserversorgung noch richtig funktioniert und alles dicht ist. Ausprobieren kann ich das nicht. Das Wasser würde wohl schon beim Einfüllen gefrieren. 

Ich gehe auch mal wieder im Walmart einkaufen. Im südlichen Teil von Vancouver. Auf vielen Verpackungen werden Waffen verherrlicht. sogar auf Kaffebeuteln. Das mutet etwas sonderbar an. Ich finde die Waffen- und Gewalt verherrlichenden Darstellungen schmählich. Insbesondere weil die Columbine Schule nur wenige Kilometer entfernt liegt.

Ich spare beim Übernachten. Trotz Kälte und diesmal mit funktionierender Heizung übernachte ich nun zum zweiten Mal in einem Park im Süden der Stadt Vancouver.

 

22.03.2023

Schon mal im Bett eines amerikanischen Präsidenten geschlafen? Also mal der Reihe nach…

Reifen werden neu moniert. Weiter eine recht teure Runde. Die Herstellerfirma BFGoodrich ist amerikanisch, jeder Reifen kostet 290 $ (im Internet recherchiert, das ist offenbar die billigste Variante in den USA, in der Schweiz kosten dieselben 178 Fr. Hä, wie kommt denn das?

Tim hat mir angeraten, neue Reifen zu kaufen. Die alten waren nach fast 55’000 km doch ziemlich platt. Und zurecht. Denn mit den alten Reifen wäre ich diesmal wohl nie über den Berthoud Pass gefahren. Schneegestöber und mit Eis bedeckte Strassen erschweren das Fahren.

Am späteren Nachmittag erreiche ich die Hot Sulphur Springs – man kennt mich schon. Und der Senioren Rabatt funktioniert bereits automatisch. Ach wie schön ist es, im heissen Wasser zu schweben mit paar Schneeflocken auf der Nase.

Und dann erlebe ich das Besondere. Nach dem Bade fahre ich durch die tief verschneiten Dorfstrassen,  um einen Übernachtungsplatz zu finden. In der Nähe eines historischen Restaurants versuche ich mich durch die Schneemassen auf einen leeren Parkplatz zu baggern. Kaum dort, kommt ein nettes Pärchen mit einem Schneepflug Truck angefahren, nach kurzem Plaudern habe ich ein Bier in der Hand – denn das Restaurant sei geschlossen. Der Mann will den Besitzer fragen, ob ich auf diesem Platz über Nacht stehen dürfe. Der Wirt kommt und sagt, dass ich das Auto wohl stehen lassen dürfe. Aber ich würde dann im altehrwürdigen, ehemaligen Hotel übernachten. «For free». Es stehe noch die Presidential Suite leer. Diese werde eigentlich nicht benützt, weil sie eine Art Museumsraum darstelle. Präsident Theodore Roosevelt hätte hier mehrmals geschlafen, im Zusammenhang mit der Erschaffung des Nationalparks. So schlafe ich im Präsidentenbett, mit neuen Laken.

 

23.04.2023

Es ist einfach nur kalt da oben in Yampa. Auch wenn zeitweise die Sonne scheint. Ich packe mal wieder alle Sachen zusammen, die ich bei Jeff einlagern durfte. Es ist schön, aus der Familiengeschichte von Jeff zu hören. Es gibt wohl kaum andere Möglichkeiten, einen tieferen Einblick in das Amerikanische Alltagsleben zu finden.

 

24.03.2023

Eiszapfen hängen hier nicht senkrecht.  Wegen des eiskalten Windes sind diese rechtwinklig gebogen. Am Kamel alles gefroren, selbst die Bremsen und alles, was mal nass und feucht war.  Und  die Wetteraussichten hier oben sind immer nicht ganz nach meinem Gusto. Bis  -19°C soll es werden, maximale Temperatur sei -7°. Huch.

 

25.03.2023

Ich versuche das Kamel draussen einzurichten. Immer nach etwa 20 Minuten werkeln, schleiche ich mich wieder ins Haus. Die Mechanik der Kabelbinder taugt nicht, die Kunststoffteile brechen in der Kälte.

Es kommt auch noch zu einer kleinen Dachreparatur, eine Schraube in der Schere hat sich verflüchtigt. Gemeinsam mit Jeff stemmen wir den Dachvorderteil hoch, währenddem Jeff versucht, gleichzeitig eine neue Schraube mitsamt den erforderlichen Unterlagsscheiben einzuschieben.

 

26.03.2023

Es fällt tatsächlich schwer, bei Jeff wegzufahren, ich packe meine Sachen eher zögerlich zusammen. Es war so gut in diesem Haus wohnen zu dürfen – und nun wiederum in diese Eiseskälte hinauszufahren braucht doch etwas Mut.

Die Dreistundenfahrt führt mich nach Buena Vista, zu einer Amerikanisch-Schweizerischen Familie, zu Monika und Tim. Der Sohn der Familie hat mir letztes Jahr ein blaues Zettelchen unter die Scheibenwischblätter geklemmt, mit der Bitte, ich möchte sie doch besuchen. Die Mama würde so endlich wieder mal etwas Schweizerdeutsch sprechen können.

Die Fahrt bringt mich zunächst nach Vail, der Heimat der weltbesten Skifahrerin Mikaela Shiffrin. Es erstaunt nicht wirklich, dass sie dem Wintersport verfallen ist. Jeder zweite im Ort hat Skiers auf den Schultern.

 

27.03.2023

Der 40 Acres Hof liegt unterhalb des Mt. Princeton (4327m), heute in einer tief winterlichen und windigen Hochebebene von Buena Vista. Kürzlich hat es ganze Gebäudeteile und Dächer weggerissen. Im Sommer soll es weit angenehmer sein.

Das Leben hier draussen ist eher hart und nicht so «easy» wie wir Schweizer uns das vorstellen. Monika beeindruckt mich mit diesen Voraussetzungen und der unerlässlicher Kraft sehr. Sie hat enorm viel zu erzählen, das ist aber halt eher persönlich.

Dieser Hof ist ein «Animal Sanctuary» mit geretteten Pferden, Katzen und Hunden, Hühnern und Gänsen. Monika ist auch hochqualifiziert, vermisste Hunde aufzuspüren und einzufangen. Viele Erfolge haben ihr zu einer gewissen Bekanntheit verholfen.

Monika verkauft Bio-Eier und Honig auf dem Hof.

Im privaten Healingpool bei Mike lasse ich mich am Nachmittag etwas «soaken». Ein absolut eindrückliches Erlebnis, sich zwischen den riesigen Bergen in einem natürlichen Heisswasser  Pool mit Blues und Hippie Sound zu tummeln. Danke Mike! Danke Monika!  

 

28.03.2023

Monika hat gebacken, sehr viel, duftend und ganz nach Schweizerart. Zudem würde das Backen das Haus etwas aufwärmen, meint sie schmunzelnd.

Frühmorgens fahren wir mit zwei Autos bei Courtneys ab, Richtung Vail: Ihr Sohn bekommt Monikas Kuchen zu seinem Geburtstag geliefert. Ich fahre dann 70km weiter nach Denver, um mich weiter für die grosse Reise vorzubereiten. (Unter anderem kaufe ich drei Jeans zum Preis einer Jeans in der Schweiz. Wenigstens die sind noch nicht so teuer geworden).

Tim Courtney arbeitet als Bauingenieur und Strassenbauplaner in der Nähe von Denver und wohnt derzeit in einem Schweizer Chalet bei Evergreen. Dort darf ich dann auch übernachten. Das Haus wurde vom Appenzeller Herr Eugster erbaut, der in Denver erfolgreich ein Restaurant betrieben hat.

 

29.03.2023

Bei uns begibt man sich zu einer Unternehmung, bespricht den Auftrag und macht ein Datum ab, besucht am betreffenden Termin die Firma und lässt die Arbeiten gemäss Besprechung ausführen.

Hier geht das alles nicht wirklich so. Ich habe ein Datum abgemacht und Sicherheitsfolien für die Seitenscheiben bestellt, bin hingegangen zur abgesprochenen  Zeit, und ich treffe eine gähnend leere Garage an: Man würde gerade umbauen. Eine betreffende Mitteilung habe ich nie bekommen. Glücklicherweise hat es in der Nähe eine andere grössere Firma, die sich sehr offen und flexibel zeigt. Ich habe einen neuen Termin für morgen.

Aber ich glaube, ich will eure wertvolle Zeit mit solchen Ereignissen nicht mehr beanspruchen. Ist ja auf dieser Reise nicht das erste Mal.

 

30.03.2023

Heute tummle ich mich in einer heissen Höhle. Wow, tut das gut! Die Indian Hotsprings in Idaho Springs haben eine lange Geschichte, die heissen Quellen wurden bereits von den Natives benutzt.

Geologisch gesehen befinden sich diese Quellen in einer Region mit geothermalem Potenzial. Wir sind hier in der Nähe des Rocky Mountains Range Fault System. Diese Verwerfungen und Brüche im Gestein ermöglichen, dass heisses Wasser und Dampf aus der Tiefe aufsteigen. Das Wasser enthält hohe Konzentrationen von Mineralien wie Schwefel, Eisen und Kalzium. Soll gut sein für Haut, Muskeln und Gelenke. Aber ehrlich gesagt: Diese Höhlen und deren Pools sind jetzt wirklich verdammt hö(h)llisch… Das Wasser so um die 47-48°C (117°F).

 

31.03.2023

Umso kälter ist die Nacht, zum 3. Mal steht das Kamel hinter dem Starbucks in Idaho Springs.

Das Lokal öffnet um 6 Uhr morgens. Der Kaffee schmeckt nach meiner Meinung nicht sonderlich gut, so was wie gerösteter Karton in heissem Kartoffelwasser. Aber sonst ist es recht cool, da zu campen. Habe ich doch früh morgens eine warme Umgebung mit Gratis Internet und einer Toilette. Toiletten sind wichtig, denn während öffentliches «Bisle» hinter der Tanne in Europa schlimmstenfalls als Belästigung der Allgemeinheit angesehen wird, so gilt das in den USA als „disorderly conduct“ oder gar „public indecency“ und wird als Straftat behandelt.