Berichte 01.03. – 15.03.2022

Bald wird es soweit sein! Es folgt die 6. Etappe. Noch sind Mitfahrgelegenheiten möglich, zum Beispiel ab Whitehorse Yukon in Richtung Seward Alaska, anfangs April.
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Diese Songzeilen und die Melodie hämmern mir seit Tagen im Kopf: „Should I stay or should I go?“ (The Clash).

Da sind nach wie vor die Omicron Varianten, Krieg in Europa, steigende Dieselpreise und die eher kalte Jahreszeit im hohen Norden. Und vor allem der Gesundheitszustand meines betagten Vaters.

Auf der anderen Seite mahnt mich der Flugreiseveranstalter, dass mein Ticket bald verfallen könnte. Zudem muss das Kamel Canada möglichst rasch verlassen, das Carnet de Passage ausgestempelt werden. Denn grundsätzlich darf ein Fahrzeug nur ein Jahr mit ausländischen Kennzeichen im Land stehen.

Should I stay or should I go? Noch könnte ich stornieren.

Mein Vater hat mich gestern ermutigt: „Reise, so lange du kannst. Ich habe meine Zeit genutzt, und bereue keinen Moment. Es bleibt meine Verantwortung, Platz zu machen, nicht deine, mich dabei zu begleiten“.

Er macht mir Mut, die aktuelle Situation zu verlassen, um den lang gehegten Traum doch noch zu verwirklichen.

Mein Vater hat mich bis zur letzten Etappe immer verabschiedet, sei es neugierig am Start damals 2016 in Wichtrach oder mit einem Winken am Flughafen. Und immer wieder stand die Hoffnung: Vielleicht sehen wir uns ja wieder…

Ich hoffe es.

Should I stay or should I go? I gonna go!

 

6. 3. 2022

Heute fliege ich nun nach Vancouver. Frühmorgens geht’s los. Wie erwähnt habe ich das Rückflugticket mit Iceland Air seit Sommer 2020 behalten und den Flug immer wieder verschieben müssen/können. Bis es so weit war erfolgten unzählige Telefonate und Abklärungen. Und bis zum Einsteigen war es nicht ganz so klar, ob das Gepäck dann auch aufgegeben werden kann.

Und dann die ganze Impfgeschichten… Island hat alle Einreisebestimmungen aufgehoben.

Und auch Kanada hat per 1. März für die Einreise Änderungen bekannt gegeben. Doppelt Geimpfte und Genesene, die zwischen 10 und 180 Tagen vor Einreise nach Kanada positiv getestet worden sind und einen entsprechenden Genesenennachweis vorlegen können, sind von der Testpflicht vor Einreise ausgenommen.

Kommt mir also ziemlich entgegen. Aber das alles muss man zuerst auch noch herausfinden.

Die Flugreise führt über Reykjavik und Toronto nach Vancouver. Und dauert mit dem zweimaligen Umsteigen ganze 27 Stunden.

Sehr lange fliegen wir über das weite, unberührte Weiss Grönlands. Ein unschuldiges Weiss… Ich denke an den blutigen, furchtbaren Krieg in Europa und die Klimakrise.

Kürzlich habe ich einen Artikel gelesen, in welchem ich doch viele meiner Gedanken wiederfand. Link Infosperber.

 

7. 3. 2022

Angekommen, ab und zu habe ich im Flugzeug geschlafen. Bin also gar nicht so müde. Das Umsteigen war einfach, einzig in Reykjavik wurde die Zeit etwas knapp. Es bleibt ja auch nur eine Stunde Zeit. Verzögert wurde ich durch eine eine sehr lange CIA Befragung vor Ort, dabei ist auch eine Litauische Beamtin mit starkem Kinn. In Island? He nu, ich schenke ihr eine Kamel Karte, und dann wird sie liebenswert.

Herr Sun holt mich um ein Uhr morgens ab – so ein lieber Kerl.

Ich komme in «meiner Waldhütte» in Maple Ridge an. Es sind zwei Jahre her… Und Covid ist immer noch ein Thema.

 

8. 3. 2022

Vor zwei Jahren wohnte ich alleine in diesem Haus am Waldrand, die Bären kamen ja auch nur bis an die Türe…

Es gehört Herr Sun, er kommt ursprünglich aus Hebei, und hier heisst er Kenny. Wir verstehen uns prächtig… Heute und gestern schon komme ich in Genuss seiner wunderbaren Kochkünste.

Nun sind alle Zimmer besetzt. Es wohnen da die Bio orientierte Psychologin Janie. Sie ist pensioniert und kommt aus Vancouver, äusserst liebenswert und freundlich. Wir finden sofort spannenden Gesprächsstoff.

Sehr spannend ist es auch, mit Ivan dem Mexikaner ins Gespräch zu kommen. Er ist mit seinem «Truck» aus Baja hier. Ein frühpensionierter Anwalt, ein offensichtlich sehr engagierter und erfolgreicher Verteidiger gewisser Kreise in Mexico. Nun müsse er sich etwas absetzen und distanzieren.

Ich plane mit ihm eine mögliche Durchreise in Mexico – er kennt so vieles. Und mit seinem Namen sei ich dann auch geschützt…

Es wohnen hier auch zwei herzgewinnende, jüngere Arbeiter. David, ein gutmütiger Hüne der an den berühmten Pipelines tätig ist. Und Nick, der Waldarbeiter. Beide gehen in aller Früh weg und kommen abends hungrig nach Hause. David schlingt stehend jeweils ein bis zwei mindestens handgrosse Steaks runter.

Am Abend gehen wir in das naheliegende Freizeit Zentrum. Da gibt’s heisse Pools und Dampfsauna… wow!

Leider komme ich in den allerletzten Minuten beim Aussteigen aus dem HotTub auf der glitschigen Fläche ins Schleudern. Den Sturz kann ich zwar vermeiden, habe aber eine offene Zehe. Uuh, das gab zu Putzen, sorry.

 

9. 3. 2022

Heute gehe ich schon mal ein paar Einkäufe tätigen. 3km wären das.

Ich gehe nur den einen Kilometer leicht hinkend zu Fuss und warte auf den Bus. Eh ja, muss ja meine Zehe schonen.

Der Bus hält, und der Busfahrer sagt, ich brauche kein Ticket. Eigentlich würde es für Pensionietre 2$ kosten. Alten Leuten würde er aber diese nicht abknüpfen, meint er. Hmmm.

Auf dem Rückweg habe ich eine weisse Plastiktasche mit dem kleinen Einkauf bei mir. Das haben hier viele, solche Plastiktaschen.

Und wie ich vermute: Alte mit weissen Taschen zahlen im Bus eh nichts. Und so ist es auch. Auch dieser Busfahrer ist sehr lieb und hilfsbereit und will keine zwei Dollar.

Selbst hier in Maple Ridge gibt es viele arme Menschen mit Plastiktaschen. Überall kann man die in den Strassen sehen. Die kommen aber zumeist aus dem Liquidstore.

 

10. 3. 2022

Oft weiss ich nicht so recht, ob der Nachbar schnarcht oder der Bär draussen… Nun, jedenfalls hat diese Immission  nun ein Ende.

Hans und Ruth kommen mich extra aus Lillooet hier abholen.

Eigentlich tut es mir fast etwas leid, den Kenny und seine Leute hier zu verlassen. Der ehemalige Triathlon China-Beste und Lebenskünstler hat mich schon beeindruckt.

Doch das Kamel ruft…

 

11.3.2022

Die Fahrt gestern war eindrücklich, an vielen Orten waren die Folgen der letztjährigen Naturkathastophen ersichtlich. Strassenreparaturen, provisorischen Brücken wegen der Bergrutsche und Steinlawinen, Brandruinen wegen der Waldbrände. Das Fraser Valley wurde schlimm in Mitleidenschaft gezogen, Lytton ist zu grossen Teilen vollumfänglich zerstört.

Offenbar gibt es viele Orte nördlich von hier, welche ich letztes Jahr besucht habe, die nicht mehr zugänglich sind. Riesige Waldgebiete sind zerstört.

Heute wurde das Kamel mal getestet, alles funktioniert soweit. Die Batterien sind eher etwas schwach, aber ok. Es lässt sich ohne weiteres starten, die ganze Mechanik und Bremsen sind top. Alle Lichter funktionieren, das Dach geht auf, Hingegen ist das Rot des Fahrzeuges schlimm ausgekreidet, das Kamel sieht bleich aus. In frischem Rot hingegen erscheint der Rost neu an verschiedenen Anbauteilen, und vor allem auch dort, wo das Dach auf die Karosserie trifft. Das gibt Arbeit.

 

12.3.2022

Meine Zehe sieht schon etwas besser aus, aber immer noch schlimm genug.

Ich möchte auf sicher gehen, weil ich nicht mit einer Blutvergiftung im Busch mit den Bärchen hocken möchte.

Ich melde den Unfall bei meiner Krankenkasse an.

Kein Problem – ich darf zum Arzt. Mal schnell zum Arzt. Denkste.

Hans telefoniert, Warteschlangen, und dann wird mehrmalig weitergeleitet. Und Hans hängt nach zwei Versuchen auf. Wir gehen direkt zur Klinik.

Diese ist geschlossen, das ganze Wochenende. Lillooet hat auch ein Spital, wir fahren hin. Und hier werde ich freundlich aufgenommen. Sehr freundlich.

Zuerst ein paar erste Angaben, erste Telefonate, Direktkontakt mit Vancouver, eine erste Besichtigung der Zehe.

Dann sechs Formulare und ein Schock. Nein, die Zehe wird nicht abgenommen. Aber untersucht, desinfiziert, etwas Salbe und ein Pflästerchen drauf… Diagnose: der Nagel hätte sich ins Nagelbett gebohrt, …  Und das kostet 870 CN$. Jawohl, achthundertsiebzig – das sind 670 CHF.

Gut, es ist Unfall, die Krankenkasse zahlt… aber das ist ja wohl crazy.

Übrigens kommt eine antibiotische Salbe, und ein Notfall Antibiotikum dazu. Weitere 60$.

Um eine Erfahrung reicher gehen wir an die Summerstreet.

Hier ist mein kanadisches Zuhause. Ich fühle mich herzlich aufgenommen wie schon vor zwei Jahren auch. Heute gibt es ein Festessen, damit ich beste Freunde von Hans und Ruth kennenlernen darf. Ida und Armand, Carole und Clyde sind aus dem Dorf.

 

13.3.2022

Sonntag, mit der neuen Sommerzeit hier. In der letzten Zeit durfte ich oft an meinem Ührchen drehen

Kamel ausräumen, bereitstellen, einkaufen… und erste Politurversuche.

Hans steht mir immer mit Rat und Tat zur Seite, er hat enorm weite Kenntnisse. Viele Menschen hier sind Allrounder – man muss sich eben selber zu helfen wissen.

Es scheint, als gäbe es hier im Haus und ums Haus kaum etwas, was Ruth und Hans nicht selber gemacht oder repariert oder ausgebessert haben.

Am Abend bin ich geschafft…

 

14.3.2022

Ganztägig habe ich den Platz hier bei Meyers nicht verlassen. Es gibt viel zu tun. Morgen nur noch ein paar administrative Angelegenheiten, das Dach einrichten und den Reserve Pneu raufhieven,  ebenfalls die Taschen mit den Sommersachen… Die Sommersachen brauche ich in den nächsten Tagen wohl kaum. In der Nähe von Whitehorse ist es -20° C, und es tobt ein Blizzard.

Dann werde ich die Route auf MapsMe übertragen. Diese App mit Karte funktioniert auch Offline. Denn SALT hat mit dem neuen Abo für 39.- Fr etwas viel versprochen: Ich würde in ganz USA und Canada unbeschränkt telefonieren und ins Internet gehen können. Dem ist nicht so. Bereits hier in Lillooet gibt es keinen Empfang – kein Netz. Und so desorientiert in den weissen Norden fahren möchte ich doch nicht.

Eventuell können wir am Mittwoch abfahren. Oder dann am Donnerstag eben.

Ruth und Hans fahren parallel mit mir, mit ihrem Truck. Das finde ich absolut Spitze! Gibt mir etwas Sicherheit.

Es wird in Zukunft ab und zu so sein, dass die Berichte verzögert folgen. Eben, das Internet…

Hingegen kann man auf der Garminkarte die Route dann wieder verfolgen. Freut mich, wenn ihr dabei seid.

 

15.03.2022

Die Tage fliegen, das Kamel ist voll gefressen, beziehungsweise eben vollgestopft. Niemand glaubt mir wirklich, dass all das Zeugs letztendlich doch noch einen Platz findet.

Es verhält sich sogar so, dass der Mittelteil und Durchgang sogar weitgehend passierbar bleibt. Die Kisten sind voll, der Reservepneu auf dem Dach, die Sommerkleider ebenfalls. Die brauche ich in den nächsten Wochen wohl kaum.

Wasser kann ich nicht in den Tank füllen. Wasser unter dem Wagen wäre bei -20° C wohl eher problematisch… in den Zuleitungen auch. Das Trinkwasser nehme ich in Flaschen mit, und aufs Duschen verzichte ich mal 😉 

Ruth und Hans haben ihren Camper ebenfalls beinahe bereit. Nur, der Wohnwagen ist doch etwas grösser. Der Trailer allein wiegt 6 Tonnen, und das Zugfahrzeug ist ein kleiner Sattelschlepper.