Berichte 09.01. – 15.01.2024

9.01.2024 

Red camel on the road again. Und wieder geht’s los. Die achte Etappe. Diesmal möchte ich bis Peru kommen.

Mit dem Edelweiss Flugzeug Melchsee Frutt (patriotischer gehts nicht mehr) fliege ich direkt von Zürich nach Cancun. Nach all dem Packstress, und den Vorbereitungen zu Hause bin ich äusserst froh, dass ich nicht umsteigen muss: das Flugzeug fliegt direkt, ich kann pennen. Einziger Nachteil: ich verpenne all die Zwischensnacks.

Der Flieger ist proppevoll, gefüllt mit vielen sonnenhungrigen «Cancun-Hotel-Meile-TouristInnen. In der Ansage nach der Landung meldet der Kapitän denn auch: «Schöni Ferie allersits».
Wenn der nur wüsste, dass eben nicht alle Ferien machen… Ich mache doch eine Reise… nicht Ferien, oder ,-). Es ist mein neuer Job. 

 

10.01.2024 

Die erste Nacht verbringe ich also wieder bei Yuri und Nathan im YurInn AirBnB. Ein ganz junges Mädchen aus Chiapas kommt mit dem Frühstück an den Tisch auf der Veranda, tischt das Frühstück auf. Dabei hat sie von der Hausherrin einen Zettel mit englischen Ausdrücken drauf, diese probiert sie nun ein erstes Mal bei mir aus. Richtig amüsant, wir lachen beide. Denn mein Spanusch ist mit oder ohne Zettel auch nicht viel besser.

Das Lachen vergeht mir kurze Zeit später wieder. Das Kamel hat äusserlich den halbjährigen Aufenthalt in Cancun scheinbar überstanden. Beim genaueren Hinschauen entdecke ich erste Rosterscheinungen auf dem Lack…. Diel hohe Luftfeuchtigkeit (77%), und die Hitze* (35° im Schatten) hatten ihre Auswirkungen.

Die Luftfeuchtigkeit hat dem Kamel vor allem im Fahrgastraum zugesetzt, die blauen Bezüge und alle Kunststoffteile, inklusive dem Steuerrad sind gräulich, schimmlig und die Sitzpolster sind mit weissen Pünktchen dekoriert. Mit Desinfektions Tüchlein versuche ich dem Übel schon ein erstes Mal beizukommen.

 

11.01.2024

Die Liste des Chiapas Mädchens ist wieder länger geworden, und die junge Frau scheint richtig Freude daran zu haben, Englisch zu sprechen. Sie lernt schnell. 

Mein Spanisch stagniert auf dem Duolingo Anfänger Niveau. 

Heute habe ich grosses Glück doch noch rechtzeitig auf das Flugzeug nach Havanna zu kommen. Die Lady in Gelb bei der Abfertigung hat mich schon gesucht und mit eifrigem Winken zeigt sie nun, dass ich jetzt sofort zum Einchecken gehen soll. Beim ständigen Verstellen der Uhrzeit habe ich den Kronenknopf nicht ganz rein gestossen. Und es bleibt in der Folge irgendwo zwischen 10 und 11 Uhr stehen. Ich merke es nicht, und um 13:00 Uhr ist es eben immer noch zwischen 10 und 11 Uhr.

Irgendwie habe ich immer Glück… und ich schaffe es doch noch nach Kuba.

 

12.01.2024

Den Edi habe ich gestern Abend getroffen, wir reisen in Kuba zusammen weiter.

Ja, das ist nun das Kuba meiner idealistischen Jugendträume. So habe ich mir das nicht vorgestellt, und die Erfahrungen sind zunächst einmal schmerzlich.

Das Embargo der USA wirkt sich tragisch aus, die Beziehungen zu den ehemaligen sozialistischen Staaten fehlt, seit 1989 ist Kuba weiter isoliert. Die Inflation galoppiert, es fehlt an Medikamenten und wichtigen Versorgungsgütern, es gibt kaum Benzin oder Diesel, der Alltag ist für die meisten Leute echt schwierig. Sogar Zucker muss mittlerweile importiert werden.

Wegen der bunten alten Autos und der veralteten Infrastruktur und dem angeregten Leben auf der Strasse könnte man meinen, die Zeit sei irgendwie stehen geblieben. Das ist sie aber nicht so, die Zeit arbeitet vielmehr gegen das Wohlergehen und den Fortschritt der KubanerInnen. Viele Sachen sind gar nicht oder nicht mehr erhältlich, auch Ersatzteile nicht, die Infrastruktur ist am Boden. 

Heute haben Edi und ich ein touristisches Programm – mit einem Oldtimer fahren wir durch die Stadt, dann geht es weiter zu Fuss. Es gibt wunderschöne Plätze und Strassen, das Leben ist farbig und schön, die Leute machen einen fröhlichen Eindruck, es hat Musik überall und die kubanische Kultur zeigt sich von der fröhlichen Seite. 

Aber bei einer genaueren Betrachtung entdeckt man leicht das Leid der Menschen.

Die vielen mageren Gesichter verzerren das Lächeln.

Ein Apfel kostet 250 Pesos, und ein Durchschnittslohn ist zwischen 2000 und 3000 Pesos. Die Kosten sind explodiert, und viele Familien wissen nicht wie sie über die Runden kommen werden.

Gestern Abend habe ich eine Familie besucht, die in einer Ruine wohnt. Es ist offensichtlich, dass das Haus eine wunderbare Baute aus der Kolonialzeit ist. Das Haus ist aber zur Hälfte zerfallen, was noch steht muss mit Holzbalken abgestürzt werden. Die Leute wohnen zu fünft in einem ganz kleinen Raum, das Kinderbettchen mit dem fünfmonatigen Kind ist zwischen den anderen drei Betten eingeklemmt, der Esstisch steht draussen, und die WC Anlage im Innenhof voller Pfützen und Kloaken funktioniert seit drei Jahren nicht mehr. 

 

13.01.2024

Immer noch in Havana Innenstadt: Mit „Hoy vamos a pie“ wimmeln wir die vielen Taxifahrer ab. 

Und tatsächlich gehen wir zu Fuss, sehr viel zu Fuss. Denn die Altstadt ist doch eigentlich erstaunlich gross. Obwohl wir schon praktisch mitten in der Altstadt wohnen, kann man viele Kilometer gehen, um an ein Ende zu gelangen. 

Havanna ist Weltkulturerbe. Man kann erahnen, wie schön die Stadt in ihrer Blüte war. Die Elite hat sich nicht lumpen lassen, die Häuser wirken grosszügig und pompös. Viele Fassaden der Kolonialbauten stehen noch, doch auch viele der wunderschönen Bauten fallen nun in sich zusammen. 

Einige Fassaden an den touristischen Hotspots sind renoviert, hinter den Fassaden jedoch sind die meisten der Bauten marode. Grösstenteils sind diese nicht mehr bewohnbar und kaum mehr zu retten. 

Der Tourismus ist für viele Menschen eine der wenigen Möglichkeiten etwas Geld zu verdienen. Reiseleiter, Verkäufer, Restaurants, kleinere und grössere Geschäfte mit touristischen Erzeugnissen und vor allem der Staat selber brauchen diese Einkünfte…  Aber auch die zahlreichen armen Menschen versuchen etwas Geld zu erhalten. Die Leute sind sehr herzlich und schnell ist man in einem Gespräch verwickelt, jede und jeder hat seine Geschichte – doch am Schluss fragen fast alle nach Geld oder Unterstützung. Dabei sind die meisten durchaus auch erfinderisch, sie bieten sich als Guide an, füttern Katzen und fragen dann nach Geld für Futter, tanzen, rauchen dicke Zigarren, musizieren und halten dann den Hut hin. Doch viele sind ersichtlich in Not, es erschüttert. Schwangere Frau in Lumpen, Kranke mit riesigen Geschwüren, kleine Buben mit traurigen, hungrigen Gesichtern… es drückt einem schier das Herz ab.

Ich habe ein paar kleine Scheine bei mir, und ab und zu verteile ich auch etwas. Aber es ist nichts mehr als ein nichts. 200 Pesos reichen knapp für ein Brot. Das schlimme ist denn auch, dass diese Menschen wirklich keine anderen Möglichkeiten haben. Kuba, wie soll das weitergehen? 

 

14.01.2024

Benzin ist knapp und teuer, unser Taxi Chauffeur fährt uns von Havana bis nach Viñales. Er würde immer des nachts tanken gehen, sagt er. Weil tagsüber steht man mehrere Stunden an, bis man an einer der wenigen noch in Betrieb stehenden Tankstellen Benzin bekommt. ie Gründe für die Benzinknappheit sind vielfältig. Die Corona-Pandemie den Tourismus in Kuba stark geschwächt. Der Tourismus ist eine wichtige Einnahmequelle für das Land und trägt auch zur Versorgung mit Benzin bei. Zum anderen sind die Sanktionen der USA gegen Kuba weiter verschärft worden und sind ein weiterer Faktor, der die Krise verschärft. Die USA verbieten Kuba den Import von Benzin und anderen Treibstoffen. Auch die Lieferungen aus Venezuela sind um 20 bis 40 Prozent zurückgegangen, Venezuela leidet selber unter den Sanktionen und kann nicht mehr genügend Öl fördern. 

Das ist der hauptsächliche Grund, dass wir auf eine Automiete verzichten. Denn ein Weiterkommen wäre nicht gesichert. 

Am Nachmittag unternehmen Edi und ich eine ausgiebige Wanderung im Valle de Viñales, querfeldein, auch über Stacheldrähte und hin bis zu der Cueva de la Vaca Höhle. 

 

15.01.2024

Viñales ist besonders schöner Flecken Natur, mit Palmen und Bäumen bewachsene Mogoten. Die „Mogotes“, sind grosse Kalksteinfelsen, Kegelfelsen, sie erinnern mich an Guilin in China.

Das Dorf Viñales ist nicht allzu gross. Im Dorfkern spielt das Leben. Viele Restaurant, Bars und richtig schöne kubanische Musik. Abseits der Hauptstrasse ist es schön ruhig, da stehen die Casas particular (das sind Privatunterkünfte).

Für heute steht eine Wanderung durch die Felder mit wertvollem kubanischem Tabak an. Die Gegend ist für die Herstellung der weltberühmten Zigarren bekannt. Die Bauern liefern 90% der Ernte an den Staat ab, 10% dürfen sie selber vermarkten, aber ohne Exportmöglichkeiten. Diesen Teil dürfen sie ausschliesslich lokal verkaufen.

Die Natur zeigt beeindruckende Kontraste zwischen grüner Flora und roter Erde.

Beim Aufstieg hole ich mir eine leichte Zerrung in der rechten Wade und bin froh, auf der Veranda auf dem Schaukelstuhl zu ruhen zu können.

 

16.01.2024

Es regnet in Strömen, oder noch fast ein bisschen mehr. Wildbäche vom Himmel, dazwischen kleine Aufhellungen. Wir mieten uns ein Taxi für fast 4 Stunden, zweimal 15 $. Der aufgestellte Fahrer fährt einen 1959 Plymouth. Er erklärt uns, dass er einen sparsameren russischen Wolga Motor eingebaut habe. Weil die alten Amerikanerwagen unter der Motorhaube so viel Platz haben, könne man praktisch jegliche Motorenart einbauen. Und auch ein anderes Getriebe.

Wir besuchen die Cueva del Indio und die Cueva Palenque de los Cimarrones. Da sind wir wenigstens am „Schärmen“ (so etwas wie am Trockenen).