Berichte 01.06. – 15.06.2023

1.06.2023

Das Kamel schaukelt mich durch Wüste, zumeist mit gebirgigen Abschnitten.  Gerne nehme ich mir Zeit, denn es ist unbeschreiblich hier. Das habe ich noch nie gesehen, und es übertrifft die Vorstellungskraft. 

Es ist, als sässe man in einem enorm weiten, botanischen Kaktus Garten. Die Kakteen sind teilweise riesig, an die 8m hoch, und mit verholzten Stämmen.  Besonders hoch sind die Pachycereus Pringlei. Und zierlich mit Blumen die Astrolepis Sinuata, um zwei der unzähligen Arten zu nennen. Oftmals sitze ich auf einem Stein und betrachte staunend dieses Paradies. 

Am Abend suche ich mir den einzigen Campingplatz in diesem Abschnitt. Kaum habe ich mich eingerichtet und die Kartoffeln im Kochtopf, fährt ein gepanzerter Wagen mit 8 schwarzmaskierten und mit grau schwarzen Tarnanzügen bekleideten Soldaten vor. 

Die Guardia Nacional Soldaten essen in der Kantine des Campings. Abwechslungsweise, drei halten immer Wache, und behalten auch mich im Auge. Der Offizier besucht mich später, spricht ein tadelloses Englisch. Ich sei hier sicher, meint er. 

Ok. Ich versuchs zu glauben. Sie verschwinden ins Dunkle. Kaum sind sie weg, reitet ein Cowboy mit breitem Mexikaner Hut aus der finsteren Wüste vorbei. Ich komme mir vor, wie in einem Film. 

 

2.06.2023

So eine Kakteen Gruppe in der Wüste, das ist ein edles Fotomotiv. Einfach wunderbar und sehr beeindruckend. Es versteht sich von selbst, dass die Komposition auch aus dem richtigen Winkel erfolgen muss. Dazu hat man ab und zu auch die Position zu wechseln, oder aber eben auch in die Hocke zu gehen. Nur darf das nicht allzu hektisch passieren. 

Das erfahre ich heute recht schmerzlich, denn hinten unten war ebenfalls ein so kleines Ding mit Stacheln. Übersehen, autsch.

Hols der Geier, pflegt man bei un zu sagen. Geier hat es hier massenhaft in der Nähe der Strasse. ab und zu liegt ein verunfalltes Tier im Strassengraben. Und da muss aufgeräumt werden. Erstaunlich, dass sich die riesigen Vögel gar nicht so beeindrucken lassen. Bis zu etwa 30m kann ich mich in ihre Nähe bewegen, bevor sich die rotköpfigen Dinger mühelos in die Höhe schrauben. Nicht meine Freunde, aber doch sehr majestätisch, wie die segeln können. Und nicht unweit vom toten Pferd warten sie auf Steinen  sitzend auf meinen «Abgang», also Abfahrt meine ich natürlich…

 

3.06.2023

Guerrero Negro ist eine grössere Ortschaft, gegründet zur Salzgewinnung. Es gibt eine Hauptstrasse, viele unbefestigte Nebenstrassen, reihenweise Häuser die am zerfallen sind. Die Stadt hat jedoch ein paar Geschäfte und sogar einen Bankomaten. Den kann man in einem Schuhgeschäft im ersten Stock finden. Gepanzert und gesichert und absolut überwacht. Man könnte ihn bestimmt nicht mit einem Auto Abschleppseil aus der Fassung reissen. Wäre das ein Tipp für die Schweiz? 

In den Geschäften ist das Angebot armselig. Es gibt eine Mini Apotheke, die hat etwa so viele Medikamente ausgestellt, dass sie wohl in unseren Küchenschränken verstaut werden könnten. 

Viel Plastikwaren, und selbst das Möbelhaus hat zur Hauptsache Klappstühle im Schaufenster ausgestellt, etwa die gleichen, wie ich drei davon im Kamel habe. 

Bio Produkte sucht man vergebens. Auch Gemüse und die Früchte sind beschränkt erhältlich. Es kann sein, dass es auf dem Festland dann auch anders aussieht als auf dieser Peninsula. 

Hier ist einfach Meer und Wüste. Und Fischläden, ja die gibt es doch mehr als genug.

 

4.06.2023

Wandern ist hier eine Herausforderung, nicht nur das die Wege und Strassen nicht markiert sind, sondern auch der Hunde wegen. Es hat viele, und eben oft auch streunende Hunde. Die formieren sich in Rudel und haben irgendein Leittier. Es ist lustig zu sehen, wie die verschiedensten Hunderassen zusammen finden und sich durch aus auch organisieren lassen. Ich habe oftmals nicht den Eindruck, dass es diesen Tieren nur schlecht geht.

Am  späteren Nachmittag treffe ich in San Ignacio ein.

 

5.06.2023 

San Ignacio das ist die schönste Stadt, die ich bisher Baja California gesehen habe. Malerisch, eben… Der Ort ist eine Oase, mit viel Wasser, und wunderschönen Palmenhainen. San Ignacio liegt auf der Strecke nach Santa Rosalia im Bundesstaat Baja California Sur. Es ist eine kleine Stadt mit historischem Charme und einer interessanten Vergangenheit. San Ignacio wurde 1728 gegründet und war ein wichtiges Zentrum für den Abbau von Silber und Gold. Die Stadt ist für ihre gut erhaltene Missionskirche aus dem 18. Jahrhundert bekannt, die als Wahrzeichen gilt. 

Ich darf mich auf dem Gelände von Gémina und Sido einrichten.

 

6.06.2023

Gémina  ist Fotografin, und unternimmt Recherchen unter anderem für National Geographics. Hiro, ihr Partner ebenfalls. Der Sohn Kenjiro besucht die sechste Klasse. Durch seine Vorfahren wurde Hiro Landbesitzer, ein paar wenige Gehminuten ausserhalb der Altstadt von San Ignacio. Der Landsitz wird mit «Insel» beschrieben, und wird auch von den gelegentlichen Überschwemmungen verschont.  Nun bauen die beiden ein Haus auf diesem Grundstück. Es sollte auch Schutz vor starken Winden und dr grossen Hitze bieten – so erprobt Hiro  Bauweisen mit natürlichen Materialien aus der Gegend. Die Elemente entstehen in einer Art Lehm Technologie, und stellen eine Isolation dar, die besonders kühlend wirkt. Das Fundament steht schon und es wird eifrig gebaut. Sein Bruder Yohei besitzt eine Parzelle nebenan. Er hat an der Uni Ernährungswissenschaft studiert, hat sich dann wissenschaftlich mit Brot und Teig auseinandergesetzt, selber eine Bäckerei betrieben, und sein eigenes Bier gebraut. Nun baut er kunstvolle Pizza Öfen mit ausgetüftelter Technik – und wirklich formschön sind die Dinger auch. 

Ich darf Kenjiro zu seiner Schule begleiten, der 10-minütige Schulweg führt durch die Wüste und durch einen dschungelgleichen Palmenhain. Die Schule dauert nur noch 4.5 Stunden täglich, vormittags. Am Nachmittag werden die oberen Klassen ebenfalls für 4.5 Stunden unterrichtet. Von den gleichen Lehrpersonen, da es zu wenig Lehrkräfte gibt. 

 

7.06.2023

Nach zwei Nächten in San Igancio verlasse ich das Land Richtung Küste. Viele karibisch anmutende Strände sind hier. Und ich lerne einen Mexikanischen Lastwagenchauffeur mit seiner Partnerin kennen. Wir kochen gemeinsam und geniessen einen wunderbaren Abend. 

Immer noch ist mein Spanisch eher armselig. Doch mit seinem wenigen Englisch- und meinen auch wenigen Spanisch Kenntnissen ergänzen wir uns wunderbar. 

 

8.06.2023

Zum zweiten Mal schlafe ich an diesem wundervollen Meer, einen weiteren Strand 20km südlicher. 

Nachmittags fahren dickbäuchige Mexikaner mit Fettfaltenrollen im Nacken in flotten amerikanischen Wagen prahlend vor. Und sie stehen dann mit einer Bierbüchse in der Hand in den türkisfarbenen, lauen Wellen.  Das beeindruckt die arme Bevölkerung hier bestimmt. Und es ist mir verständlich, dass die gerne über die Trump Mauer jucken würden. 

Heute schwimme ich zum ersten Mal im Leben in einem Taufbecken. Eigentlich eben im türkisfarbenen, lauen Meer. Eine religiöse Gruppierung trifft zur Taufzeremonie ein, und sind nun meine Nachbarn. Sie singen, brummeln, schütteln die Hände, knien und beten und lallen laut, in einer unbekannten Glossolalien Sprache, ziemlich ekstatisch das Ganze. Und die weissgekleideten Gotteskinder dürfen zum Pfarrer im Tarnanzug ins Wasser steigen. Der eine Jugendliche wird getaucht, zu seinem Erschrecken stellt er, nachdem er dem Wasser entstiegen ist, fest, dass er sein Mobile noch in der Tasche hatte. 

Ich komme auch in Diskussion mit einer jungen, perfekt englisch sprechenden Frau. Sie erzählt, wie die von Menschen beherrschte Welt lediglich eine schwarze, abgrundtiefe Hölle sei, und nur im Jenseits würde es uns dann wieder gut gehen. 

Ja, die Religion hier ist so eine Sache. Die Heiligen sind  bei vielen gläubigen Christen in México schier wichtiger, als Jesus selbst. Und es gibt Heilige, die Mexiko spezifisch sind. So beispielsweise die Santa Muerte. Da wird der Tod und eben auch das Töten verherrlicht, deshalb häufig eben auch von den Kartellboys verehrt.

 

09.06.2023

Ich glaub es einfach nicht… Unvorstellbar was man hier alles erleben kann!

Heute früh wache ich im Kamel am «Playa el Requeson» auf, durch ein Gezeter und Geleier, und der Pastor, der gestern Abend noch sehr liebenswürdig und milde lächelnd eine mehrfache Taufe vorgenommen hat, geht heute bedrohlich mit der grossen, schwarzen Bibel in der Hand auf einen Kontrahenten los. Offenbar geht es um eine Frau. (Denn damit die meisten nicht verstehen, schimpfen sie in Englisch aufeinander los). Und nur mit Mühe und Not können die anwesenden Christen die beiden Zankteufel auseinanderhalten, der Pastor schäumt vor Wut.

Am Nachmittag fahre ich dann Richtung La Paz. Wie schon lange erwartet, taucht plötzlich hinter mir ein Polizeiwagen auf. Die drei «Officiales de Policia» halten mich an.

Ich hätte eine gelbe Linie überfahren (?, tut doch jeder hier), und sei im Dorf mit 70 statt mit 60 km/h (?, bin wohl kaum so schnell) gefahren. Die zwei Bussen würden sich auf 10,000 Pesos (520 Fr.) belaufen. Ich streite nichts ab und entschuldige mich, und jammere, dass ich eben auch nicht so viel Geld hätte. Und ich erzähle den beiden, wie ich wohne, mir kein Hotel leisten könne, selber koche, … und so weiter. «Echame la mano» heisst das Zauberwort für Polizisten. Das habe ich schon lange auswendig gelernt.

Der eine meint dann scheinheilig, er würde jetzt mit dem Office Kontakt aufnehmen. Er tut so, als würde er telefonieren. Nach kurzer Zeit sagt er, ich müsse nur die eine Busse bezahlen. Und die sei 6’000 Pesos. Doch auch dazu reicht mein Geld nicht – natürlich habe ich das vorbereitet: Im Geldbeutel sind nur 80 Pesos, und drei Zehn-Dollar Noten.

Sie bitten mich in den Schatten hinter das Kamel, weg von der Strasse. Dort eröffnen sie mir feierlich, dass sie mir nun helfen wollen, und sie nehmen «nur» die 30$ entgegen, die 80 Pesos lassen sie mir. Spannend ist dann auch der Abschied. Die beiden umarmen mich, und wünschen mir eine gute Reise, als wären wir jahrelange, alte Freunde.

Und dann fahren die dicklichen Herrn relativ schnell weg. Eine Quittung habe ich selbstverständlich nicht erhalten. Ja, vielleicht ist es eine Art Entwicklungshilfe. Oder ein Beitrag an eine Bande, denn die Schroter hier stecken mit Gngstern oftmals unter einer Decke.

 

10.06.2023

Es ist immer eine Frage, ob der rote Toyota ein Camper Fahrzeug, oder sogar ein richtiges RV (amerikanische Version der Riesencamper) ist – oder ist es eigentlich nur ein Van? Das ist sehr wohl massgebend, beispielsweise wenn man ein Ticket auf ein Schiff von La Paz nach Mazatlan buchen möchte. Die Frau hat mein Auto besichtigt und festgestellt: Es hat ein Bett, also ist es ein CamperVan. Ungeachtet der Grösse. Ein Campervan ist rund doppelt so teurer. Nun die Inspektion beim Chef am Hafen ergibt, dass es kein CamperVan. Das Gute: Die Überfahrt kostet mich nur noch 400 Fr. in etwa. 

Die Überfahrt findet also statt. 15 ganze Stunden lang, nur leichte Wellen, aber schlafen kann ich nur schlecht, man versucht irgendwie auf einem Stuhl eingepfercht die Nacht zu verbringen, im Restaurant mexikanische Zeitungen zu lesen oder an der Bar sich zu betäuben. Ich wähle die erste Variante. 

 

11.06.2023

Nun bin ich also in Mazatlan. Die Stadt hat auch durch aus ihrer schönen Orte, der Strand ist wunderbar, die Altstadt hat ihre Reize. Doch es sei gefährlich hier. Bei Anbruch der Dunkelheit soll man sich nicht mehr auf die Strasse begeben. Es ist eben eine mexikanische Hafenstadt. Ich finde einen wunderbaren Campingplatz am Strand. Wobei auch dieser eine Mauer und ein abgeschlossenes Tor hat. 

 

12.06.2023

Wer ein bisschen Geld hat, der lebt wie erwähnt hinter Mauern. Oftmals fährt man hier in Mazatlan durch Strassen und fragt sich, was sich wohl hinter all diesen farbigen oder weniger farbigen Mauern befände. Ab und zu kann man sich einen Blick durch ein schmiedeisernes  Tor gönnen. Weniger Mauern gibt es in den Vierteln leicht ausserhalb der Stadt. Da sieht man verschmutzte Kinder zusammen mit federlosen Hühnern und streunenden Hunden, Mütter die resigniert am Strassenrand hocken, Männer die sich mit dem Rücken an halb zerfallenen Mauern stützen. Ich begegne freudigen Gesichtern, aber auch kritischen Blicken. Die Armut hier ist schrecklich,  ich kann keine Worte finden. Alle kämpfen ums Überleben, jeder Pesos wird gebraucht. Alle sind in Not da, aber an schlimmsten betroffen sind wohl all die Menschen, die drogensüchtig sind. 

Die Drogensucht in Mexiko ist ein ernstes und weit verbreitetes Problem. Besonders betroffen sind benachteiligte Gemeinschaften, Armutsgebiete und städtische Randgebiete. 

Und ist man erst mal drogensüchtig, so tut man alles, um an die Drogen zu kommen. Eben deshalb diese viele Gewalt.

 

13.06.2023

Mit nur einem Halt schaffe ich die Strecke von 268 km nach Durango. Mit der Hilfe von Gonzalez, einem Verwandten von Iwan aus Mexicali, habe ich in Mazatlan alle Strecken, die nächstens zu befahren sind, und alle Orte, die ich besuchen möchte, (auch die dann mit Jie), besprochen und geplant. 

Die Strecke von heute zählt auch zu den gefährlichen, und selbstverständlich höre ich auf gute Ratschläge. 

Ich komme etwas zu spät, um 7:00 Uhr ist das Tor des einzigen Campings geschlossen, und ich muss mir in der Stadt ein gesichertes Motel suchen. Auch da kann ich das Auto in einem hoch überwachten Innenhof bringen.

 

14.06.2023

Ich sehe mir etwas die Innenstadt von Durango an, und ich bin beeindruckt. Es hat wirklich wunderbare Kolonialbauten, und dort auch eine Fussgängerzone. Da stehen Polizisten an jeder Ecke. Offenbar haben in der letzten Zeit Leute Fahrradketten zweckenfremdet. Die werden von hinten um den Hals gelegt, bis man mit dem Geld und dem Handy heraus rückt.

Am Abend bin ich im in diesem wunderbaren Campingplatz. Für nur 400 Pesos die erste Nacht (ab der zweiten nur noch 200 Pesos) hat man jeden Platz und saubere Toiletten. Und das ganz Spezielle: eine ganze  Bade Anlage. Denn ab 7:00 Uhr ist niemand mehr da, und man hat auch die natürlichen Agua Termales alleine zur Verfügung.

 

15.06.2023

Heute müssen die beiden Kamele eine der längsten Strecken schaffen. Unsichere Gebiete, bis Rioverde möglichst durchziehen, ist die Devise. Ich bin sicher, dass ich heute nichts mehr dazu schreiben werde. wie das wohl gehen wird?