Berichte 16.04.- 30.04.2023

16.04.2023

Sind Motels eine amerikanische Erfindung? Ich glaube schon. 

Der Begriff «Motel» ist eine Abkürzung für «Motor Hotel» und man kann mit dem Auto fast ins Bett fahren. Der Eingang und das Fensterchen ist unmittelbar beim Parkplatz.

Motels sind häufig günstiger als traditionelle Hotels.

Gerade ein solches habe ich mir ausgesucht um all die schmutzigen Sachen zu reinigen, die Wäsche zu waschen, das Auto in der Nähe zu zu fegen. 

Gut, ganz günstig ist es nicht, 75$ die Nacht. Aber ich bin so kaputt, dass mir alles schier Wurst ist. 

Ich versuche mich von gestern zu erholen. Rücken und Hände schmerzen, Blasen, Kratzer, Magenschmerzen, ich bin appetitlos… Einfach kaputt. Mit Mühe poste ich ein paar Berichte. Ich muss stehend schreiben, so tut der Rücken weh.

Glücklicherweise schreibe ich jeden Tag schon mal ein paar Stichworte auf.

 

17.04.2023

Die Strasse UT95 ist wohl bisher die schönste Strasse, die ich in den USA gefahren bin. Wie ein unendliches Gemälde zieht diese Kunst der Natur an mir vorbei.

Sie führt vorbei an Felsformationen in Rot und Gold, natürliche Brücken, Skulpturen gleich, Gewölbe und Höhlen, Flüsse, Täler, Bäche, die Canyons tief… Cottonwood Trees stehen im hellen Grün vor dem roten Hintergrund. Die Schönheit der Natur in all ihrer Pracht, ein Erlebnis, ein Wunder, das bestimmt noch tagelang nachwirkt.

Am Abend treffe ich Tim B. in Hanksville, er ist der Bruder von Jeff (Jeff hat mir in Colorado das Kamel gehütet). Tim hat sich einen neuen Toyota gekauft, und möchte nun eine erste Tour unternehmen. Wir werden jetzt ein paar Tage parallel fahren.

 

18.04.2023

Die ersten Fahrten durch die Garfield Gegend (über Notom nach Boulder, Reef Natinal Park) führen uns durch endlose, Kiesgruben ähnliche Prärie, dann durch und über Canyons, und der staubig roten unbefestigten Strassen. Ich komme mir vor, als würde ich in einer roten Wells Fargo Kutsche durch einen Wildwestfilm fahren. Und vorne weg fährt John Wayne… eh, Tim natürlich.

Manchmal ärgerlich, dass ich mit niemandem aus der Familie oder meinem Freundeskreis diese wundersamen Eindrücke teilen kann.

 

19.04.2023

Immer wieder unternimmt Tim mit mir kleinere und grössere Hikes. Sehr pittoresk sind die engen Canyons. Wasser und Wind haben diese Täler in eine unvorstellbare Skulpturen Landschaft verwandelt.

Es fällt mir auf, dass der Wind in diesen Gräben jeweils sehr stark bläst, und er wechselt alle paar Minuten die Richtung.

Ich suche im Internet nach einer Antwort: Dieses Phänomen wird als Wendewind bezeichnet. Der Wendewind entsteht, weil die Luft in einem Canyon von den Wänden reflektiert wird und dadurch eine Art Schwingungsbewegung entsteht. Wenn die Luft auf eine Wand trifft, wird sie nach oben gedrückt und strömt dann wieder nach unten, um auf die gegenüberliegende Wand zu treffen und wieder nach oben zu steigen. Dieser Prozess setzt sich fort und erzeugt eine Schwingung, die den Wind abwechselnd von einer Seite des Canyons zur anderen treibt.

Von Escalante aus besuchen wir den Bryce Canyon, nur mit einem Fahrzeug. Einfach unbeschreiblich, diese orangen-gelben, zerklüfteten Formationen mit den übriggebliebenen, kleinen Schneehäufchen. Sehr fotogen…

 

20.04.2023

Bin ich zu dick? Beim Eingang zu den Slots gibt es zwei Metallstäbe, die anzeigen, wie eng der Peakaboo und der Spooky Slot im Grand Staircaise Escalante Gebiet sind. Nö, ich komme  knapp durch. Musste ja in letzter Zeit den Hosengurt immer ein Loch knapper stecken.

Unterwegs treffen wir das Ehepaar Heike und Peter an. Zum zweiten Mal. Gemeinsam zwängen wir uns durch die schmalen, orangefarbigen Felsenkamine. Eine Farbenpracht, aber im wahrsten Sinne schon etwas einengend.

Man darf sich nur nicht vorstellen, was bei einem plötzlichen Gewitter geschehen würde, wenn Wasser durch diese Stellen schiesst. Keine Überlebenschance.

Offenbar mussten schon Leute mit schwierigen Rettungsaktionen befreit werden, die ganz einfach steckengeblieben sind. An den Stellen, wo man sich tief nach unten ins Unbekannte durchschlängeln muss, meint Heike jeweils: Warum denn nur tun wir uns diesen Sch… an.

Ich hätte eine Idee zu einer Touristenattraktion: Man könnte jeweils alle 30 Minuten paar Liter Wasser durchfliessen lassen, und am Ausgang eine Psychologische Betreuung mit dem Schwerpunkt Platzangst anbieten. Das wäre echt gewinnbringend.

 

21.04.2023

Cottonwood Strasse, Hike Abstecher in diverse Canyons… Wir treffen auf Warnschilder überall. Offenbar sind gerade in den letzten Jahren Leute ums Leben gekommen, weil sich ein höchster Wasserstand durch Gewitter in der Gegend ganz plötzlich ergeben haben soll. Das Wasser kann ganz innert Sekunden mehrere Meter hoch durch die Canyons fliessen. Da müsste man doch schon ziemlich rasch klettern können, potz Mänt Änneli.

Eigentlich wollten wir die berühmten «Waves» besuchen. Es gibt eine Lotterie, und die Chance einer der Auserwählten zu sein ist fast gleich 0. So ergeht es eben auch uns. Beim Eingang erhalten wir die Absage, und auch dem Herbert, einem Deutschkanadier ergeht es ebenso. Seit Microsoft die Bildschirme mir dieser Abbildung der Wellen zeigte, ist hier der Teufel los.

Herbert schliesst sich uns an, nun reisen wir schon zu dritt. Es wird immer spannender.

 

22.04.2023

Wir kompensieren die entgangenen Wellen mit noch viel schöneren Wellen und Gesteinsformationen. White Pocket ist über eine sehr schwierige Piste zu erreichen, wir fahren mit den zwei Toyo Kamelen.

White Pocket ist ein geologisches Phänomen, ein kleines Plateau aus weissem und orangen Sandstein, das von Erosion und Verwitterung geformt wurde und eine einzigartige Landschaft mit markanten, wellenförmigen Formationen und bizarren Felsformationen bietet.

Die Schichtungen, Risse und Faltungen im Sandstein kommen mir vor, wie ein Salvador Dali Gemälde. Die Strukturen erzeugen eine surreale Landschaft, die an ein anderes Land oder gar eine andere Welt erinnert.

Da der Zugang wie erwähnt schwierig ist, ist der Ort nicht so überfüllt wie andere Touristenattraktionen in der Region. Wegen einer Unaufmerksamkeit (Spielen mit der Go-Pro, haha) vergrabe ich prompt das Kamel wieder für kurze Zeit im Sand. Glücklicherweise gelingt es mir, das Stahl-Getier mit eigener Kraft kurz darauf wieder zu befreien.

 

23.04.2023

Auf der einzigen Brücke (Marble Bridge), die noch über die zögerlichen Anfänge des Grand Canyons führen treffen wir auf einen Mann, der dort ein Ei schält und aufisst. Er spricht uns an, und erzählt, dass er auf dieser Brücke heute feiert. Sein neues Leben feiert. Denn vor zehn Jahren hätte er auf eben dieser Brücke einen Selbstmord machen wollen, sei morgens um drei auf dem Geländer gestanden, Gott und die Engel hätten ihn gerettet.

Und dann hält er uns eine Predigt mit Bibel Zitaten. Schön, sagt Tim. Und dann später: «Welcome in the USA!»

Ah ja, und Condor Vögel hat es hier zuhauf. Sie sind gut erkennbar durchnummeriert.

 

24.04.2023

Meine schmerzende Achilles Ferse zwingt mich, den Grand Canyon lediglich touristisch zu erschliessen. Es gibt eine Menge Shuttle Busse, die am South Rim hin und herpendeln. Man steigt ein, der Bus hält an einer Aussichtspunkt Haltestelle, man steigt aus, watschelt hin, guckt und knippst – und nimmt den nächsten Bus dann wieder zum nächsten Ort. Eben.

Paar Fakten aus dem Internet: Der Grand Canyon ist eine Schlucht, die sich über 446 Kilometer erstreckt und bis zu 1.829 Meter tief ist. Der Colorado River fliesst durch den Grand Canyon und hat sich im Laufe von Millionen von Jahren durch das Gestein geschnitten, um die Schlucht zu bilden. Der Prozess begann vor etwa sechs Millionen Jahren und dauert immer noch an. enthält Gesteine, die bis zu zwei Milliarden Jahre alt sind. Es gibt Schichten von Sandstein, Kalkstein und Schiefer, die durch geologische Prozesse gebildet wurden.

 

25.04.2023

Heute trennen sich unsere Wege. Tim fährt zurück nach Colorado (in einem Stück bis Yampa, wie er mir am nächsten Tag schreibt), Herbert kehrt zurück nach Canada. Und ich fahre weiter, Richtung Zion Nationalpark. Es war so toll, mit den beiden zu reisen. Und das gemeinsame Kochen, Lager aufbauen, Ideen austauschen, die Erzählungen und Tipps waren stets sehr bereichernd.

Insbesondere waren die Führungen von Tim absolut kostbar. So bin ich doch an Orte gelangt, die ich wohl nie aufgesucht oder gefunden hätte. Ich bedanke mich herzlich!

Der Zion Park bietet atemberaubende Aussichten und Felsformationen.  Doch für mich ist dieser Ort sehr touristisch – und ich bleibe nicht sehr lange da.

Besonders attraktiv sei Angels Landing. Der Weg ist jedoch sehr steil und an einigen Stellen ausgesetzt, was bedeutet, dass es Stellen gibt, an denen es sehr sehr tief hinuntergehen kann. Die letzte Strecke des Weges, die über einen schmalen Grat führt, ist besonders gefährlich. Es hat Ketten, wo man sich etwas festhalten kann, doch es wird darauf hingewiesen, dass da offenbar schon viele abgestürzt seien und sich zumeist auch tödlich verletzt haben.

Meine Achilles Ferse verhindert dieses Abenteuer ohnehin – und auch sonst bin ich nicht wirklich der Bergsteiger.

 

26.04.2023

Auch wieder atemberaubenden Felsformationen und leuchtend rote Felsen, diesmal im Valley of Fire in Nevada. Das Valley ist auch ein wichtiger Ort für die Erforschung der Geschichte der Ureinwohner Amerikas, da hier Petroglyphen* und andere Überreste ihrer Kultur gefunden wurden. Nur ist der Ort halt leicht zugänglich mit Autos, und entsprechend der Touristenrummel auch. Aber wie immer: Geht man zu Fuss ein paar hundert Meter sind fast nur noch fitte, jüngere Hiker unterwegs.

*Zeichen in die Steine geritzt

 

27.04.2023

Fahre mitten durch Las Vegas. Und zwar möglichst rasch. Die Stadt interessiert mich nicht besonders, obwohl nachts da viel Spannendes zu sehen wäre. Und nicht nur die Lichterwelt eben. Las Vegas ist hat zahlreichen Casinos, Unterhaltungsmöglichkeiten und luxuriöse Hotels. Spannend ist für mich, dass plötzlich aus der Wüste diese riesige Stadt auftaucht. Mitten in einer sehr lebensfeindlichen Umgebung.

Der Spielumsatz in Las Vegas ist beeindruckend hoch, etwa 6,6 Milliarden US-Dollar jährlich. Die Stadt zieht jedes Jahr Millionen von Touristen an, die auf der Suche nach einem aufregenden und unvergesslichen Erlebnis sind. Und ich fahre da einfach durch, das ist mein unvergessliches Erlebnis. Und kaufe die notwendigsten Sachen ein.

 

28.04.2023

Kaum mehr als 100km sind durch den heissen Wüstenwind zu fahren, und ich erreiche eine Art Traumoase. Tecopa ist ein kleiner Ort in der Mojave-Wüste, am Rande des Death Valleys,  gehört bereits zu Kalifornien. Es gibt heisse Quellen und Mineralwasser. Die vergessenste Ecke Californias, sagt mir der lokale Bierbrauer mit Skillt und dem 30cm langen Messer am Gurt. Es sei schlimm hier, und er mache nächste Woche zu bis im Winter.

Die Gegend um Tecopa war schon von den Paiute-Indianern besiedelt. Der Name «Tecopa» leitet sich von einem Paiute-Stammesführer namens Tecopa ab, der in der Gegend lebte.

In den 1920er und 1930er Jahren erlebte Tecopa einen regelrechten Bauboom, als viele Hotels und Badehäuser errichtet wurden, um den Touristenansturm zu bewältigen. Nun, mittlerweile sieht der Ort eher etwas verkommen, aber immer noch sehr spannend aus.

Die Thermalquellen sollen gesundheitlichen Vorteile und Entspannungsmöglichkeiten bringen. Ich bleibe da ein bisschen, kure meine Achilles Ferse und schreibe meine Berichte endlich fertig. Und was gibt es Schöneres, als bei 38°C in 45°C heissem Thermalwasser vor sich hinzu»soaken».

 

29.04.2023

Auch heute ist es wieder bei 38°C.

Für die Wüstenunkundige ein paar trockene Hinweise: Die Wäsche waschen lohnt sich da: Jeans sind nach 25 Minuten trocken, Socken nach 20, Shirts nach 15, Unterhosen nach 10, Abtrockentücher nach 5 Minuten.

Übrigens Abtrocknen braucht man gar nicht. Hingegen lohnt es sich durchaus, den Abwasch sofort zu tätigen – die Essensreste kleben sich ansonsten fast wie Mörtel an den Tellern fest. So geschehen mit der Hafermilch und meinem Müesli.

Meine Nase trocknet dauernd aus, der Schweiss trieft nicht, und die Hände fühlen sich spröde an. Auf toilette braucht man kaum, die Flüssigkeiten verflüchtigen sich sonstwie.

Die häufigen Hotspringsbäder tragen das Nötige dazu und trocknen aus, ich kompensiere mit Hautcreme.

Eine Erfahrung mit Crocs – die sollte man nicht in der Hitze an der Sonne stehen lassen. Die ziehen sich nämlich sonst zusammen.

 

30.04.2023

Das Death Valley, das Tal des Todes, trägt seinen Namen zu Recht. Eine tragische Geschichte aus den Pionierzeiten des Death Valley soll sich beispielsweise im Winter 1849/50 ereignet haben, als eine Gruppe von Siedlern auf dem Weg nach Kalifornien in das Death Valley geriet.

Die Gruppe hatte den vermeintlich kürzeren Weg durch das Death Valley gewählt, um Zeit und Entfernung zu sparen. Doch die Gegend entpuppte sich als äusserst feindselig und die Gruppe wurde von schweren Stürmen und Sandstürmen heimgesucht. Ihr Proviant ging schnell zur Neige und sie versuchten zunächst, Ratten, Klapperschlangen und andere Tiere jagen, um zu überleben.

Schliesslich entschieden sich einige Mitglieder der Gruppe, das Death Valley auf eigene Faust zu verlassen, um Hilfe zu suchen. Doch sie kehrten nie zurück und wurden nie wieder gefunden.

Die verbleibenden Mitglieder der Gruppe kämpften noch einige Wochen lang ums Überleben, bevor sie von einer Rettungsgruppe gefunden wurden. Doch viele waren bereits gestorben und die wenigen Überlebenden waren so geschwächt, dass sie kaum mehr in der Lage waren zu sprechen.

Es ist wichtig, immer genügend Wasser und Nahrung mitzuführen und sich vorab über die Wetterbedingungen und das Terrain zu informieren. Heute Abend treten beispielsweise schier aus dem Nichts plötzlich heftige Winde auf. Glücklicherweise habe ich mein OZ Tent genügend verankert, es hält stand. Hingegen dringt der feine Staub gar durch die Moskito Netze in das Zelt.