01.08.2022
Der Tag beginnt eigentlich ganz spannend. Mike ist fast gleich alt wie ich – zusammen mit seinen Grosskindern Lucas und Fay fahren wir an einen seiner Lieblingsorte. Wie Indianer schauen wir lange von einem Tafelberg aus in die stille Prärie.
Irgendwann kurz vor Mittag fahre ich los, mache einen Foto Halt, und muss das arme Kamel dann mühsam und mit Diff-Sperre aus dem unerwarteten Dreck manövrieren.
Nach stundenlangen Präriefahrten möchte ich mir einen Salat gönnen. Es hat tatsächlich einen überdachten Tisch auf einem Ausstellplatz am Strassenrand.
Ich will schon mal Olivenöl in die Schüssel geben. Der Wind ist aber derart stark, dass er mir das Öl auf das neue T-Shirt bläst. Kein Problem: Ich setze mich mit dem Rücken gegen den Wind. Nun bläst mir aber der ungebremste Wind die Mütze vom Kopf in die Salatsauce.
Nach einer weiteren Stunde Fahrt beschliesse ich, in den Beaver Dunes einen Hike zu unternehmen. 1.5 Meilen seien es… ist ja mit Links zu schaffen. Doch in den Dünen kann man sich eben verlaufen, der Hike ist schlecht bis gar nicht ausgeschildert. Ich komme immer weiter vom Ziel weg. Und meine schlechte Eigenschaft ist es, niemals zurückzugehen. So beschliesse ich, mich quer über die Hügel durch die Gebüsche zu schlagen. Die Dornen und Büsche sind zu bewältigen, aber so ein wenig ein mulmiges Gefühl bleibt. Denn heute morgen hat mir Mike erzählt, wie einer seiner Bekannten an einem Rattlesnake Biss verstorben sei. Ja, und die 7 grossen Aasgeier da oben kreisen schon…
Nach 2 Stunden hab ich’s geschafft.
02.08.2022
Lange Fahrten durch die Prärie, und so komme ich von Kansas nach Colorado.
Immer wieder gibt es Hinweise auf den Santa Fe Trail. Von einem Felsen aus sehe ich die alten Spuren, so müssen wohl die Indianer die Wagenkolonnen beobachtet haben.
Der Santa Fe Trail wurde als Durchgangsmöglichkeiten vor allem mit den Cheyenne Völkern ausgehandelt. Er ist mit Stelen artigen Steinen markiert.
Die sogenannten Meat Flies sind lästig. Kleine wendige Fliegen, die zumeist in die Unterschenkel stechen. Und das ist besonders im Auto lästig. Diese Viecher verstecken sich im Fussraum – und selbst das rote Antibrumm nützt nichts.
03.08.2022
Noch fahre ich den letzten Santa Fe Pfaden entlang. Und sehe sogar einen Santa Fe Amtrack Touristen Zug. Kurz ist er und fast leer. Es ist tatsächlich der erste Personenzug, den ich in den Staaten angetroffen habe.
Irgendwann fahre ich geplant nördlich in die Prärie, auf Schotterstrassen. Ich besuche das Sandy Creek Memorial, dort wo 1864 rund 200 Indianerinnen, vor allem auch Frauen und Kinder massakriert wurden. Die meisten wurden verfolgt und auf der Flucht getötet. Wiederum ein trauriges Kapitel amerikanischer Geschichte.
Erstaunlicherweise habe ich auf den ganzen Prärie Pisten guten Empfang und nehme auch diesmal wieder ein paar Leute mit auf die Fahrt. Heute sind Edi, Veronika, Barbara und Shunni mit auf Videofahrt.
In einem kleinen Vorort auf dem Spielplatz eines Quartiers findet sich eine Übernachtungsmöglichkeit. Wie oft schon wurde diese inm App iOverlander beschrieben, legal und gratis. Und es steht sogar eine Art Plastiktoilette da.
In der Morgenfrühe kommt so ein Idiot vorbei und lässt seinen Auspuff neben meinem Kamel so richtig knallen. In einer Reflex Reaktion jucke ich vom oberen Bett runter in Sicherheit und sitze prompt auf meine Brille. Ich kann sie so einigermassen zurechtbiegen.
04.08.2022
Weit fahren muss ich heute nicht, und schon bin ich in Gottes Garten. «Garden of Gods» ist bei Colorado Springs in der Nähe. Colorado Springs legt am südöstlichsten Zipfel der Rocky Mountains. Die «Garden of Gods» sind wunderbare, rote Felsformationen und sind eine bekannte touristische Attraktion.
Und es gibt Hikes. Es tut gut, sich wieder mal etwas mehr zu bewegen. Und das Spannende ist, dass häufig die AmerikanerInnen kaum weiter als 200m vom Auto weggehen. Man ist sich gewohnt, fast alles mit dem Auto und im Auto zu machen. Noch. Essen, in die Bank, ins Kino, und ich habe bereits Campingplätze erlebt, wo man mit dem Auto zur Dusche fahren muss. Und tatsächlich gibt es auch hier eine Aiuto Route durch die wunderbaren roten Felsen.
Nun denn, bald kann ich den Hike alleine geniessen, finde schönste Aussichtspunkte – und treffe später auf zwei deutsche Touristen, die den beschriebenen Hike Trick auch kennen.
05.08.2022
Nun, die Weiten finden definitiv ein Ende. Wiederum bin ich in den Bergen, in den Rockys eben. Und die Strasse steigt und steigt… auf dem Berthoud Pass zeigt das Höhenmeter 3449m üM an. Und mit kurzen Hosen und im T-Shirt fühlt sich das denn auch kühl an da oben. Ich fahre in tiefere Gegenden, 2357 m sei es da, in Hot Sulphur Springs. Ein sehr sympathischer Ort mit langer Geschichte und einem wunderbaren Hot Spring Resort.
Ich muss noch meine Auto Versicherung verlängern, diese läuft am 6.8. ab. Mein Internet funktioniert gar nicht – also suche ich die Library auf. Unterwegs sehe ich eine Town Hall, da könnte die doch sein. Doch ich werde sehr freundlich und hilfsbereit von der Gemeindeschreiberin empfangen. Und ich werde ins Gemeinderats Sitzungszimmer geladen und darf dort meine Internet Aufgaben bearbeiten.
Die Ortschaft verfügt auch über einen günstigen Campingplatz. Ich buche gerade für 3 Abende. Am Montag werde ich dann nach Yampa fahren, dort wo dann mein Kamel eingewintert wird.
06.08.2022
Das Resort enttäuscht nicht. 21 verschieden Pools sind da, kleinere für wenige Personen, grössere, mit verschiedenen Temperaturen… das Wasser fliesst direkt aus den verschiedenen Quellen ungefiltert und ganz natürlich ohne Zusätze in die Pools. Es hat Sodium, Magnesium, Sulfate und vieles mehr im Wasser. Und man befindet sich am Dorfrand, am Colorado River mitten in der Natur, in den Bergen. 20$ bezahle ich für einen ganzen Tag. Es ist eine Perle, wirklich zu empfehlen. Ich geniesse das relaxen.
07.08.2022
Heute ein weiterer Relaxtag auf dem Campus. Der Ort gefällt, und ab und zu gehe ich bei der Townhall vorbei und nutze das Internet. Ich versuche beispielsweise herauszufinden, wie man die Eberspächer Airtronic Heizung reparieren könnte. Die raucht nur noch und zündet nicht. Und für März 2023 wäre hierzulande eine funktionierende Heizung sinnvoll. Doch das Youtube Filmchen macht mir eher Bauchweh – ich glaube, es könnte klug sein, die Finger davon zu lassen. Ausbauen und mitnehmen?
Aber es gibt auch noch anderswo Internet in Hot Sulphur Springs. Im Dean Public House. Dort werden nicht nur wunderbare Salatteller angeboten, sondern es ist auch eine Bar da. Genau richtig: Ich feiere den Geburtstag mit Resu. Es ist eine Live Band da, süffige Musik, und an der Bar stosse ich mit Resu an. Bei ihm ist ja schon der 8. August. Das klappt via Signal Chat. ;-).
Nun: Zunächst ein Mix irgendwelcher Art, dann zwei Mojito. Dann bin ich reif für das Hochbett im Kamel.
08.08.2022
Durch eindrückliche Gebirgslandschaften klettert das Kamel über Pässe, durch Schluchten, durch Hochplateaus und erreicht Yampa. Hier wird das Kamel überwintern. Wunderbare Natur, ein ganz kleines Dorf, 450 Einwohner, jeder kennt jeden. Die Gegend ist für ihre Trails, für den Yampa River Botanic Park bekannt. Der nächstgrössere Ort ist Steamboat Springs… alles hier ist mutet vulkanisch an.
09.08.2022
Wir besprechen und planen den Winteraufenthalt. Die Winter hier seien trocken und kalt. Jeffrey wird das Auto bei sich in die Werkstatt stellen. Ich lade heute schon mal alles vom Dach runter und fahre dann Richtung Boulder. Übernachten tue ich auf dem günstigen Heaton Bay Campground. Ich bekomme den letzten Platz – Glück wie immer. Übers Wochenende findet hier ein grosses Mountainbike Rennen statt.
Eine Verallgemeinerung über Amerikaner darf ich an dieser Stelle schon mal tun: Fast ausnahmslos sind die Leute sehr nett, offen, freundlich und hilfsbereit, und immer für einen Smalltalk zu haben.
Und heute steht gar eine Gruppe lieber Christen um Halbkreis um mein Kamel und spricht ein Gebet für den weiteren Verlauf der Reise aus.
10.08.2022
In Loveland in der Nähe von Boulder werde ich mich morgen nochmals mit Hanje und Chris aus Custer treffen. Chris arbeitet derzeit hier. Und hier gibt es auch eine kompetente Garage für den Ölwechsel. Meine Erfahrung zeigt, dass es i den USA immer schwierig ist, ein Appointement mit einer Garage zu treffen. Aber es klappt für morgen. Schon mal gut.
Ähnlich verhält es sich mit den Frisören. Kaum möglich, einfach so in einen Salon zu latschen.
Also so ein bisschen Bart stutzen und Haare schneiden wären schon nötig, sonst lassen die mich kaum in ein Flugzeug einsteigen… sehe wirklich aus wie «just back of the wilderness». 😉
11.08.2022
Jetzt geht’s drum, möglichst rasch alles für die Überwinterung bereitzustellen. Wie angekündigt wird in Loveland Öl gewechselt, Kühlflüssigkeiten gescheckt, alles gefettet und gewartet… vielleicht kaufe ich auch noch eine neue Batterie. Der Starterbatterie hat der 2jährige Aufenthalt im Fraser Valley etwas zugesetzt. Ist ja auch verständlich bei 70° C Temperaturunterschied.
Meine Berichte werden jetzt bestimmt kürzer. Langsam kommt eine gewisse Hektik auf.
12.08.2022
Interessant ist, dass hier alle meine Berichte und Reportagen auch mitlesen können. Google sei dank: Die Texte werden auf den Geräten offenbar immer gerade direkt ins Englische übersetzt. Werde mir also nicht mehr unbedingt Mühe geben müssen, auch in Englisch zu schreiben. Cool. (Sorry, cool ist ja schon mal Englisch).
Boulder, eine spannende Stadt, bunt, mit bunten Menschen in bunten Aktionen. Boulder heisst «Felsblock», und solche stehen in der Stadt ziemlich viele. Besonders in der wunderschönen Fussgängerzone (Rauchen und Hunde verboten) sind einige geschickt platziert und erinnern an eine Parklandschaft mitten im Stadtzentrum.
Auch diese Stadt kommt mir vor wie eine kleine Insel. Politisch gesehen ist Boulder eine der linkesten und am stärksten demokratisch geprägten Städte Colorados.
Und die alternative Szene ist gross – diese wichtigste Universität Colorados prägt das Strassenbild, ein Drittel der Bevölkerung dieser Stadt sind Studierende.
Die vielen jungen und offenen Menschen ermöglichen den liberalen Lebensstil. Und trotz des “Peaceful Easy Livin’ Stils” ist es leider am 22. März 2021 zu einem schrecklichen Amoklauf in Boulder gekommen, zehn Menschen starben dabei. Es ist nicht lange her, und die Menschen, welche ich getroffen habe, wünschen sich eine stärkere Waffenkontrolle.
13.08.2022
Übernachtet habe ich in einem bezaubernden, riesigen Park, im Chautauqua Park. Und da kriegt man frühmorgens schon mal ein schlechtes Gewissen: Was da gejoggt und gerannt und geturnt wird, an jeder Ecke gibt’s Yoga Übende, und Hundespaziergehende hat es zuhauf.
Ich geniesse meine Wellness lieber in den Hotsprings – und so mache ich auf dem Weg nach Yampa nochmals bei den Hot Sulphur Springs einen Halt.
14.08.2022
Fast zum Abschluss meiner USA Reise lerne ich doch noch unangenehme Amis kennen. Übernachtet wird auf dem Campingplatz von Hot Sulphur Springs. Nebenan platziert sich ein Ungetüm von RV (Recreational Vehicle = Wohnmobil) mit einem lauten Stromgenerator. Nach Mitternacht klopfe ich an die Tür des RVs, und frage höflich, ob er das Ding nicht doch abstellen könnte. Zu zweit stehen jüngere Männer links und rechts in Unterhosen neben mir und zeigen ihre Muskeln. Potz Mänt, das sei ihre Freiheit, sie brauchten Strom für TV und Kühlfächer, ich solle ja nicht noch mal an diese Türe klopfen, sonst… nun denn, ich ziehe den Kopf und das Dach ein und fahre in einen «Only Day Use» Bereich zum Schlafen.
Schon Vormittags bin ich in Yampa und mache das Kamel für den Winterschlaf bereit.
15.08.2022
Mit der Hilfe von Jeffrey ist nun das Kamel bereit für die grosse Pause, die Tanks sind gefüllt, das Trinkwasser entleert, alle Flüssigkeiten winterfest… Und ich entrümple. Vieles habe ich auch doppelt dabei, denn nach den zwei Jahren Reisepause wusste ich nicht mehr genau, was alles im Kamel ist.
Nun, was zu viel ist verschenke ich oder nehme es mit in die Schweiz.
Jeffrey fährt mich in die Nähe vom Flughafen Denver. Das sind fast 3 Stunden Fahrt durch die Berge in diese riesige Stadt. In eine andere Welt. Danke, Jeffrey!
16.08.2022
Es geht los… Abflug mit der Lufthansa bis München, und dann nach Zürich. Bye…
17.08.2022
Back home…