Berichte 01.04. – 15.04.2022

1.04.2022

Am Zoll geht’s unerwartet leicht… und es ist nicht mal ein Aprilscherz. Beim kanadischen Amt versuche ich ziemlich lang zu erklären. Und führe meine drei Carnets de Passage vor, 2020,2021,2022…, lückenlos, wie mir damals am Telefon das Zollamt in Vancouver geheissen hat. Geschichte und Carnets hätte ich mir ersparen können. Der nette Beamte stempelt mir das abgelaufene Heft 2020 ab… Das wars. Good travel, happy day! Bye.

Ja, 400 Fr. hätte ich mir da ersparen können.

Am amerikanischen Zoll: Covid docs?… Nooo. Not needed. Aha, zum Bruder. Super. Gute Zeit und Stempel, Baff.

Ich fahre ziemlich rassig, und freue mich, Glennallen ist nur noch 260km weit… Das kommt mir etwas seltsam vor. Klar, die Angaben geben ja Amerikanischen Meilen an. Denn mein MapsMe zeigt 415km an.

Ich fahre zumeist etwas zu schnell, denn die Geschwindigkeits Angaben sind ebenfalls in Meilen.

Ich versuche mir nun die häufigsten Beschränkungen zu merken:

65 M/h entspricht ungefähr 104 km/h

55 M/h entspricht ungefähr 88 km/h

35 M/h entspricht ungefähr 60 km/h

25 M/h entspricht ungefähr 40 km/h

 

2.04.2022

Ich übernachte in der Nähe meines ersten Zieles, Nahe Benchlake. Doch schlafen kann ich eher schlecht, dreimal verschiebe ich mich mit dem Kamel, bis mir ein Schlafplatz einigermassen sicher vorkommt. Überall entlang der Hwy’s sind Pickup Trucks mit Anhängern stehen. Auf diesen werden die Snowmobils transportiert. Und fast alle auf diesen Snowmobils sind schwer bewaffnet, bedrohlich gucken die Gewehrkolben aus den Halfterungen. Kommt mir etwas unheimlich vor. Am Wochenende soll es eben viele HobbyJäger unterwegs haben…

Nun, gegen Mitternacht kann ich den sicheren Hafen finden und verstecke das Kamel hinter Schneehaufen.

Dabei werde ich Zeuge eines Naturspektakels: Die Polarlichter.

Sie sind diesmal nicht ausgeprägt stark, aber doch beeindruckend.

Muss mich mal informieren, wie diese am besten zu fotografieren sind.

Am Vormittag holt mich Susun mit dem Snowmobil und Anhänger ab. Wow, das ist eine abenteuerliche Fahrt über den gefrorenen Fluss und durch diese Wälder. Andere würden auf der Schützenmatte Kirmes viel für eine solche Fahrt bezahlen.

 

 

3.04.2022

Ich wohne nun bei Susun am Benchlake in der Cabin. Schön, am Morgen den Cheminéeofen heiss zu bringen.

Für einen guten Telefonempfang und Internetzugang gehe ich mit einem Stuhlschlittentrottinett (Pushing Snow Chair Kickspark Sleigh) über den See und dann dem Ufer entlang bis zum besten Sende- und Empfangspunkt.

Absolut lustig, wie schnell man mit diesem Ding über die verschneite Eisfläche flitzen kann.

Solche Schlitten werden oft für das Eisfischen eingesetzt.

Wunderschön diese Schnee- und Eislandschaft. So habe ich mir als Kind Alaska immer vorgestellt.

 

4.04.2022

Heute erreicht mich eine tiefsttraurige Nachricht  Mir fehlen die Worte. 

Mein lieber Freund und Mitreisender Pierre ist verstorben. 
Meine Gedanken sind bei der Familie .

Es tut mir so leid…

 

5.04.2022

6.04.2022

Seit zwei Nächten bin ich alleine am Benchlake. Diese Stille tut gut.

Vermagst du dich zu erinnern?… Wenn in der Nacht Schnee gefallen ist, so legte sich eine wohltuende, auffällige Stille über die Umgebungen, die üblichen Geräusche erscheinen gedämpft.

So ist es hier. Nur eben stiller. 

Gibt es eine Steigerung für still? Ja! … stiller … am stillsten.

In der letzten Nacht fiel hier am See neuer Schnee. 

Und es ist wirklich stiller als bei uns in Wichtrach. Eigentlich hört man gar nichts, denn es ist auch weit und breit kein Mensch, kein Auto, keine Bahn, kein Flugzeug… und selbst die Tiere halten sich in der weissen Welt still.

Und was ist am stillsten? 

Es ist die Stille, die jetzt Pierre umgibt. Die stillste aller Stillen, wenn der Tod uns jemand von der Seite nimmt und ins Stumme führt.  

Es bleibt ganz still…

 

7.4.2022

Eugen ist jetzt am Benchlake… und wie immer voller Tatendrang. Er sucht sich Tannen aus, um bald ein nächstes Häuschen zu bauen. Viele Bretter und Bauteile liegen schon bereit.

Zudem konstruiert er mit gebrauchten Snowboards Kufen für einen Schlitten, welcher mit einer Schneemaschine (so eine Art Motorrad mit Raupe) gezogen werden kann.

Wunderbar, mit meinem jüngeren Bruder diese Zeit zu haben.

 

8.04.2022

 Eugen fällt mehrere Tannen. Die hat er gestern ausgesucht. Er nennt es «Käferholz», denn es sind Bäume, die vor nicht allzu langer Zeit abgestorben sind. Sie müssen trocken, aber dürfen nicht verfault sein. Das sieht man an den Verfärbungen beim Schnitt.

Das Schadbild ist relativ klar zu erkennen, die Nadeln fehlen weitgehend und die Äste sind dunkel und brüchig. Aber beim Fällen werden wir doch etwas überrascht. Nicht alles ist als Bauholz zu gebrauchen.

Aber verschwendet wird nichts. Das nicht zu verwendete Holz wird einfach zu Brennholz…                                                                                                                                                                               

9.04.2022

Romantisches Leben im Outback, ja, das sind verlockende Vorstellungen.

Abenteuer in der puren Natur. Das ist so… aber der Mensch hat sich eben ganz nach der Natur zu richten.

Das ist bei uns in der von uns geschaffenen Umgebung in Vergessenheit geraten. Die Vorstellungen sind verwässert, romantisiert durch unser Komfortverhalten und hat wohl mit der Realität wenig zu tun.

Ich denke hier oft an die Auswanderer, welche der Europäischen Gesellschaft den Rücken kehrten, oder zu kehren veranlasst wurden.

Die grenzenlose Freiheit muss sie zum Teil mit aller Härte getroffen haben, diejenigen, welche überhaupt überlebt haben.

Hier zu leben bedeutet auch in der Moderne grossen Verzicht, die Voraussetzungen sind gegeben, man passt sich an oder gibt irgendwann auf.

 

 

10.04.2022

Bei Susun und Eugen lebt man denn auch ökologischer, bewusster, sauberer was die Umwelt angeht, aber auch viel aufwändiger.

Mit allen Energien geht man sparsamer und bewusster um, alles wird eingeteilt, aufgeteilt, und nichts verschwendet.

Das Holz steht auf ihren Grundstücken grenzenlos zur Verfügung und stellt denn auch die Hauptenergiequelle dar. Für das ganze Haus gibt es einen einzigen grossen Cheminée Ofen

So steht auf dem Holzofen immer ein grosser Wasserkessel bereit. Dieses Wasser bleibt tagsüber immer heiss und wird überall eingesetzt, um Energie zu sparen. Die Pfannen und die Kaffeekanne werden zuerst mit heissem Wasser gefüllt, um das Gas zu sparen. Die grossen Propangasflaschen sind sehr schwer und können lediglich im Winter transportiert werden.

Das Geschirr wird mit wenig Spülmittel heiss vorgewaschen, gespült… Unter dem Spülbecken steht ein grosser Kübel, den muss man täglich mehrmals draussen ausleeren gehen. Alle Wasser- und Abwasserleitungen würden sofort gefrieren.

Die Wasserversorgung erfolgt aus dem naheliegenden See. Es muss ein Loch in die Eisdecke gebohrt und das Wasser sehr rasch 20m weit ins Haus

gepumpt werden, Besonders im Winter ist das eine grosse Herausforderung, bei -30°C gefriert alles sofort.

Der grosse Tank findet sich denn auch innerhalb des Hauses unter den Kinderbetten.

Das Plumpsklo ist draussen, eben in einem Outhouse… das Papier wird im Kübel gesammelt, und alle drei Jahre muss das Häuschen entweder gezügelt oder die Grube ausgeschaufelt werden.

Duschen ist nur nur in den warmen Monaten möglich, im Winter wird ab und zu ein Hotpot während 10 Tagen immer ein bisschen eingeheizt und nach dem Bade jeweils gedeckt wie eine Pfanne…

Die Abfälle werden sorgfältig getrennt, Kunststoffe vermieden und papierähnliches Zeugs im Wald verbrannt.

Die Nahrungsversorgung ist erschwert und kann nur im Winter über den gefrorenen Fluss transportiert werden. Hier kann niemand schnell über die Strasse ins Geschäft oder in den Supermarkt gehen. Die nächste Einkaufsgelegenheit ist in Palmer, etwa 120km weit entfernt.

Der elektrische Strom wird möglichst nur tagsüber gebraucht, wenn die Solarpanels die Lastwagenbatterien genug aufgeladen haben.

Nach Sonnenuntergang wird alles möglichst ausgeknipst.

Oft erstaunen die Sammlungen von Schrott und Materialien um die Häuser. Das sind grosse Material- und Ersatzteillager, denn sehr oft müssen einfache

Und pragmatische Lösungen gesucht werden.

 

Ich denke oft an Pierre – der hat auch für alles und jedes immer eine praktische Lösung gefunden. Hier hätte er eine beste Ausgangssituation…

 

 

11.04.2022

 Gestern sind wir nach Anchorage gefahren. Es mutet fast seltsam an, all die städtischen Geräusche, die vielen Menschen, die breiten Strassen, der zusammengeräumte Schnee…

Die Stadt ist sehr weitläufig, die breiten Einbahnstrassen wirken etwas verwirrlich. Auch etwas heikel, denn bei jedem Abbiegen muss genau hingesehen werden. Auch in den Einbahnstrassen sind gegen die Kreuzung hin Stoppstrassen ähnliche Markierungen angebracht. Und rechts abbiegen darf man immer, auch bei Rot. Da gibt’s hinter mir ab und zu ein Hupkonzert.

Zudem bei 5 Spuren die richtige zu finden gestaltet sich nicht immer leicht.

 

Heute gehe ich ein erstes Mal zum UMV Prüfungsamt. Ich möchte zu Alaska Schildern kommen – dann würde die Versicherung um einiges billiger.

Leider bleibt dieser Versuch erfolglos.

Morgen solle ich zuerst zum Zollamt. Es braucht ein spezielles Einfuhrdokument.

 

 

12.04.2022

Heute nehme ich also den Anlauf um die notwendigen Zolldokumente zu erhalten.

Ich fahre wie geheissen an die 605 W 4th Ave Anchorage. Und suche das Büro 230. Zuerst muss ich meine Taschen leeren, Gürtel und Mütze ausziehen… das Gebäude ist schwer bewacht. Dann im ersten Stock zur Auskunft.

Dann zu einem Officer. Der schreibt mir die nächste Adresse auf.

Ich suche beim Flughafen das speziell für Importe zuständige Zollamt auf. Eine nette Lady sagt, das sei kein Problem, notiert alles auf und nimmt freundlich die Unterlagen entgegen. Dann kommt ein eifriger jüngerer Kollege dazu.  Und dann geht nichts mehr. Unmöglich sei das… Nein, auf keinen Fall… Er sieht aus wie Korporal Friedli, damals…

Nun, dann versuche ich das mal bei den offiziellen Strassenverkehrsamt DMV.

Ticket und Warteschlange, dann komme ich zu der wirklich hilfsbereiten Jennifer am Schalter 21. Auch sie nimmt alles entgegen, klärt ein paar Sachen ab – und dann möchte sie das Auto inspizieren.

Sie fällt mir fast um den Hals: «Das Auto, wow, das muss ich haben. Oh, das ist mein Auto».

Sie ist begeistert, kann mit Schwärmen nicht aufhören, fragt mich, ob ich verheiratet sei, sie würde sofort mit mir verreisen. Als ich sie enttäuschen muss, schlägt sie einen Erbgang vor. Oder zumindest eine Nr. 1 Position in der Käuferliste.

Nun, alles scheint diesmal zu klappen. Die Inspektion erfolgt ohne Schwierigkeiten. Jennifer schwärmt weiter.

Doch dann, eben, dann muss sie das Formular abschliessen und rechnet nochmals nach… Oh: das Auto ist noch nicht 25 Jahre alt. Geht nicht. 21 Jahre nur, also nur mit Anpassungen an das amerikanische Strassengesetz, Auswechseln des Tachos, andere Standlichter, Abgasnorm so und so…

Sie schlägt mir vor, ich könnte ihr das Auto ja schon mal verkaufen, sie würde dann die Tests machen.

Hmmm, das Kamel wird noch noch gebraucht. Ich muss Jennifer enttäuschen. Ich behalte den schweizerischen Fahrzeugausweis und bezahle halt etwas mehr an die Versicherung.

 

Nach dem heutigen Tag kommt mir Mani Matters Lied in den Sinn. Er beschreibt das Ämterdasein so:

Är isch vom Amt ufbotte gsy, am Fritig vor de Nüne
By Schtraf, im Unterlassigsfall, im Houptgebäud, Block zwo
Im Büro 146 persönlich go z’erschiine
Und isch zum Houptiigang am Halbi Nüüni inecho

Vom Iigang, d’Schtäge uf, und de nach rächts het är sech gwändet
Isch dür’ne länge Gang, de wider rächts und de graduus
De zrügg, und wider links, bis wo der Korridor het gändet
De wider zrügg und gradus witer meh und meh konfus

I sött doch het er dür die lääre Gäng grüeft, vor de Nüne
By Schtrof im Ungerlassigsfall im Houptgebäud Block Zwo
Im Büro 146 persönlech ga erschiine!
Und dür die lääre Gäng do het me s’Echo ghört derfo!

Hie bin i, het är dänkt, scho gsy!
Nei, dert bim Egge chumme
Ni veillecht wider – nei, s’isch s’isch anders – warum geit’s jetz da?
I ha doch gmeint… – aha, jetz no dert vorne einisch ume –
Was isch de das? Da geits – jetz weis i nümme won’i schtah!

Und dä wo isch ufbotte gsy am Fritig vor de Nüne
By Schtrof im Ungerlassigsfall im Houptgebäud Block Zwo
Im Büro 146 persönlech ga z’erschiine
Isch immer witergloffe und isch nie meh ume cho

Quelle: Musixmatch

Songwriter: Mani Matter

 

13.04.2022

Heute ist Schreib- und Bildertag. Ich bin alleine in der Wohnung von Karen, der Freundin von Eugen. Sie ist als namhafte Emergency Nurse oft mit Flugzeugen unterwegs und deshalb auch heute abwesend.

Ich gebe zu: Die Annehmlichkeiten in dieser Wohnung sind halt schon verlockend. Und den Luxus, wieder mal warme Füsse zu haben, geniesse ich in vollen Zügen.

 

14.4.2022

Für alles gibt es sie. Für davor, danach und für sofort, vorbeugend und nachheilend, zum Aufwachen und Einschlafen, rosa blau und weiss… die Pillen. Und da stehen reihenweise Dosen und Schachteln für alle möglichen und unmöglichen Beschwerden.

Nicht nur in den Apotheken und Drogerien, nein, in allen Warenhäusern. Die Regale sind vollgestopft und bunt, meisten dreimal so lang wie diese unserer Grossverteiler. Das «Organic Food*» Abteil macht keinen Zwanzigstel davon aus. Das habe ich bei Fred Meyer Stores ausgerechnet.

Die Menschen hier scheinen ausgeprägt pillen- und chemiegläubig. Fast in jedem zweiten Warenkorb liegen welche medizinischen Produkte, und am meisten dabei sind Vitaminprodukte.

Aber gesünder sehen sie im Durchschnitt gar nicht aus. Leider – eher im Gegenteil. Und besser geht’s wohl nur der Pharma Lobby – einmal mehr.

Jedenfalls gibt’s mir schon etwas zu denken. Sind denn alle diese rezeptfreien Schlafmittel so unbedenklich?

Gut, um ehrlich zu sein: Ein Vergleich zu uns fällt mir schwer, denn noch sind nur wenige Heilmittel in unseren Warenhäusern zu sehen. Und ein grosses Geschäft sind die Pillen bei uns auch allemal.

*Bio Produkte

 

15.4.2022

Eigentlich könnte man auch ein Buch über Automechaniker in Übersee schreiben. Heute mache ich eine weitere Erfahrung. Gerne möchte ich vorwegnehmen: Die Garagenumfeld ist spannend und der Job wird gut gemacht.

Um 9.30 AM ist mein Termin, um 2.30 PM bin ich an der Reihe. Alles ist sehr betriebsam und hektisch, die Mechs arbeiten fleissig. Es gibt einfach viel zu viel zu tun. Sie dopen sich alle 30 Minuten mit Energy Drinks, alle 20 Minuten gibt’s einen Schluck aus der E-Zigarette, zwischendurch wird ein Stück von der kalten Pizza auf dem Werkzeugwagen abgebissen.

Es bleibt untersagt, in die Garagenhallen einzutreten oder gar durch die Tore zu lugen; ich kann aber alles beobachten, weil das Rote Kamel ganz einfach zu hoch ist, um dort hineinzufahren. Und draussen stehen, ja, das kann man. Die beiden Vorderräder werden neu ausgewuchtet, der Filter von der Zuleitung des hinteren Tanks gewechselt und alles nach Plan geschmiert, das Diff› Öl ergänzt.

Der Umgang mit den Arbeitern wird sofort freundschaftlich und herzlich…

Und dann kostet es einfach 200$. Na ja, dann halt. Es war ein interessantes Erlebnis.